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Was unterscheidet Humaninsuline und Insulinanaloga?

Frederick G. Banting und Charles Herbert Best entdeckten 1921 das Insulin. Sie schrieben damit Medizingeschichte. Denn bis zu dieser Entdeckung kam die Diagnose "Diabetes" einem Todesurteil gleich. Seither forschen Wissenschaftler auf der ganzen Welt, wie Menschen, denen das lebenswichtige Hormon fehlt, durch Spritzen unter die Haut die natürliche Insulinausschüttung des Körpers bestmöglich nachahmen können.

Humaninsulin

Anfangs wurde das Insulin hauptsächlich aus den Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen gewonnen. Deren Insulin ist dem menschlichen zwar ähnlich, weicht aber in der chemischen Struktur leicht ab. In den 80er Jahren trat das Humaninsulin seinen weltweiten Siegeszug an. Der Name ist eigentlich irreführend, weil dieses Insulin nicht aus Bauchspeicheldrüsen von Menschen gewonnen wird. Es handelt sich um ein synthetisch hergestelltes Produkt, das zwar chemisch mit dem natürlichen identisch ist, aber später und länger wirkt. Für die Herstellung von Humaninsulinen wird das menschliche Gen für Insulin in die Erbsubstanz von Darmbakterien (Escherichia coli) oder Hefepilzen (Saccharomyces cerevisiae) eingebaut. Diese produzieren dann ein (Human-)Insulin, dessen Aminosäuren genau so angeordnet sind, wie die des körpereigenen Insulins eines Stoffwechselgesunden.

Unter die Haut gespritzte Humaninsulin-Präparate haben gegenüber dem körpereigenen Insulin einen entscheidenden Nachteil: Ihre blutzuckersenkende Wirkung setzt erst nach etwa 30 - 150 Minuten ein und hält bei einer Gabe von sieben Einheiten rund 4 - 6 Stunden an. Im Gegensatz dazu ist das körpereigene Insulin eines Gesunden innerhalb von Sekunden wirksam und ist, wenn es seine Aufgabe erfüllt hat, schon nach wenigen Minuten in der Blutbahn nicht mehr nachweisbar. Doch obwohl Humaninsuline, die auch Alt- oder Normalinsuline genannt werden, als Mahlzeiteninsuline zu lange wirken, reicht ihre Wirkdauer nicht aus, um den basalen Insulinbedarf eines Menschen abzudecken, der unabhängig vom Essen über den ganzen Tag benötigt wird.

Damit Diabetes-Patienten für den Insulin-Grundbedarf (Basalbedarf) dennoch nicht so häufig spritzen müssen, werden einigen Humaninsulinen Zink und andere Stoffe beigemischt. Sie können die Wirkung hinauszögern, wodurch die Präparate als Basisinsuline eingesetzt werden können. Es gibt allerdings keine wissenschaftlich belegte Methode, den Wirkungseintritt von Humaninsulinen zu beschleunigen, damit sie direkt nach dem Essen zur Verfügung stehen. Um sehr hohe Blutzuckerwerte nach dem Essen zu vermeiden, sollten Diabetiker mit dieser Therapie etwa eine halbe Stunde vor der Mahlzeit spritzen. Dieser so genannte Spritz-Ess-Abstand ist jedoch im Alltag mit Diabetes oft nicht einzuhalten.

Demzufolge ist der Blutzucker zwar theoretisch auch mit Humaninsulinen gut einstellbar, doch erfordert diese Therapie eine strenge Diät und Ernährungsempfehlungen, die den üblichen mitteleuropäischen Essgewohnheiten nicht entsprechen. Außerdem lassen sich sechs bis sieben kleine Mahlzeiten mit dem empfohlenen Spritz-Ess-Abstand kaum in den Schul- und Arbeitsalltag von Diabetikern integrieren.

Insulinanaloga

Um an die Wirkkurve des natürlichen Insulins heranzukommen, hat die Forschung dann nach Insulinen gesucht, die entweder schneller wirksam werden oder besonders lange wirken. Ein Ergebnis sind die kurzwirksamen Insulinanaloga. Ihre Wirkung tritt innerhalb von 10 - 20 Minuten ein und hält je nach Menge nur etwa 3 - 5 Stunden an. Dadurch reichen sie schon deutlich näher an die Wirkung des menschlichen Insulins heran. Die größere Flexibilität durch den Verzicht auf den Spritz-Ess-Abstand stellt vor allem für Kinder und berufstätige Menschen mit Diabetes einen enormen Zusatznutzen dar, weil sich ihre Pausen nur selten 30 Minuten im Voraus planen lassen. Außerdem können Zwischenmahlzeiten entfallen, ohne dass es mehrere Stunden nach einer Hauptmahlzeit zu Unterzuckerungen kommt. Später wurden langwirksame Insulinanaloga mit einer Wirkdauer von 12 bis 24 Stunden entwickelt, bei denen die Durchmischung von Insulin und Verzögerungsstoff entfällt.

Wie Humaninsuline werden auch die Analoga mit Hilfe von Bakterien oder Hefepilzen synthetisch hergestellt. Die Bausteine (Eiweißketten) sind jedoch im Vergleich zum natürlichen Insulin in ihrer Position verändert, was Wirkungseintritt und Wirkdauer beeinflusst. In Deutschland sind kurzwirksame Insulinanaloga seit 13 Jahren auf dem Markt. Durch das breite Spektrum an langsam- und schnellwirksamen Präparaten gibt es heute für jeden Diabetiker und seine individuelle Lebensweise das passende Insulin.

Jahrelang hatte die Diabetologie gefordert, endlich Insuline in die Hand zu bekommen, mit denen es besser gelingen kann, die körpereigenen Insulinprofile von Stoffwechselgesunden nachzuahmen. Dieser Forderung ist die Industrie mit der Entwicklung der unterschiedlichen Insulinanaloga nachgekommen. Diese modernen Insuline bedeuten für viele Diabetes-Patienten einen Zugewinn an Flexibilität, eine höhere Lebensqualität und in den meisten Fällen auch eine bessere Stoffwechseleinstellung, die das Risiko für Spätkomplikationen reduziert.

Zu den kurzwirksamen Insulinanaloga gehören die Wirkstoffe Insulin lispro (Humalog®, Lipolog®), Insulinaspartat (NovoRapid®) und Insulinglulisin (Apidra®). Besonders lange wirken Analoga mit den Wirkstoffen Insulinglargin (Lantus®) und Insulindetemir (Levemir®).

Bisher konnten Arzt und Patient (bzw. die Eltern bei Kindern) gemeinsam entscheiden, welches Insulin eingesetzt wird. Das will die Politik jetzt ändern, um die Kosten der gesetzlichen Krankenkassen zu senken. Denn die modernen Insulinanaloga sind 25 bis 30 Prozent teurer als die herkömmlichen Humaninsuline, für die es inzwischen auch schon Nachahmerpräparate gibt, weil der Patentschutz abgelaufen ist.

Autor: hu; zuletzt bearbeitet: 12.03.2008 nach oben

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