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Die Zukunft des Gesundheitswesens

Rede von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt

Rede von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt

Liebe Monika Griefahn,
meine Damen und Herren,

über kaum ein Thema wird zurzeit so viel geredet, wie über die Gesundheitspolitik. Vom Umbau ist die Rede und von Forderungen nach einer großen Gesundheitsreform.

Vor allem die Opposition tut sich mit Vorschlägen, die die Versicherten zusätzlich belasten würden, hervor. Sie hat nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Mit den Folgen dieser Politik haben wir noch heute zu kämpfen. Die aktuellen Beitragsatzsteigerungen der Krankenkassen sind zum größten Teil ein Erbe der vorherigen Bundesregierung. Ihre Gesundheitspolitik steht für Beitragsatzsteigerungen, Leistungskürzungen und zusätzliche Belastungen für kranke Menschen.

Zur Erinnerung: Unter Herrn Seehofer wurde ein Notopfer für die Krankenhäuser und Einschränkungen bei den Kuren verabschiedet. Es gab keinen Zahnersatz mehr für Kinder und keine Präventionsangebote für die Versicherten.

Trotz dieser Leistungseinschränkungen waren Beitragsatzsteigerungen an der Tagesordnung, insgesamt um 1,3 Beitragssatzpunkte in den Jahren 91-98. Ohne die Leistungskürzungen, die Herr Seehofer eingeführt hat, wären es sogar 1,8 Beitragssatzpunkte gewesen.

Herr Seehofer hatte auch eine Lösung für die steigenden Beitragsätze. Er wollte bei jeder Beitragsatzerhöhung den Patientinnen und Patienten bei den Arzneimitteln tiefer in die Tasche greifen. AOK-Versicherte in Hessen müssten heute für die große Packung statt 10 DM 23 DM zahlen.

Nun tritt Herr Seehofer vehement den Vorstellungen der CDU entgegen, die einen Regel- und Wahlleistungskatalog in der gesetzlichen Krankenversicherung will. Im von Frau Merkel vorgestellten Positionspapier zur "neuen sozialen Marktwirtschaft" ist eine zentrale Forderung die GKV soll sich "auf einen Katalog von Kernleistungen" konzentrieren. Statt dessen will er einen Selbstbehalt einführen, der die Beitragssätze für diejenigen, die den Selbstbehalt wählen, verringern soll. Den würden ja wohl Gesunde wählen und damit wären die Kranken erneut bestraft und ausgegrenzt.

Von der Opposition ist also nichts zu erwarten. Jetzt streiten sie sich. Wer sich durchsetzen wird, ist durchaus offen. Unsozial und zu Lasten der Patientinnen und Patienten sind beide Vorschläge.

Bei unserer Gesundheitspolitik ist das anders. Im Mittelpunkt stehen die Patientinnen und Patienten. Um sie geht es, und nicht um die Honorare der Ärztinnen und Ärzte, die Interessen der Krankenkassen, die Finanzierung von Krankenhäusern oder Gewinnstrategien der Pharmaindustrie, der Apotheker oder des Großhandels. Sie alle müssen sich einem unterordnen: der besten Versorgung der Patientinnen und Patienten.

Deshalb haben wir nicht nur die Arzneimittelzuzahlungen abgesenkt, das Krankenhausnotopfer abgeschafft sowie Zahnersatz für Kinder und Präventionsangebote wieder eingeführt. Wir haben das alles auch solide gegenfinanziert durch Krankenkassenbeiträge für 630-DM-Jobs.

Und wir haben ein zukunftsweisendes Konzept. Dabei sind mir zwei Dinge wichtig:

Wir wollen auch in Zukunft das medizinisch notwendige solidarisch finanzieren. Diese Solidarität von Gesunden mit Kranken, Reichen mit Armen und Singles mit Familien gibt den kranken Menschen das, was sie am meisten brauchen: Sicherheit. Und es gibt noch ein Argument für die solidarische Krankenversicherung: 70 Mio. Männer, Frauen und Kinder vertrauen darauf.

Das Risiko Krankheit ist - anders als das Risiko Alter bei der Rentenversicherung - nicht zu kalkulieren. Denn niemand kann sagen, wann er aus welchem Grund in welchem Umfang medizinische Hilfe braucht.

Mit der Gesundheits-Reform 2000 haben wir bereits wichtige Weichen hin zu mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit gestellt: Stärkung der Patientinnen und Patienten, Verpflichtung aller Einrichtungen zur Qualitätssicherung, eine bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten und mehr Prävention sind die Stichworte.

Jetzt geht es darum, die Bestimmungen der Gesundheitsreform endlich umzusetzen. Ich denke dabei vor allem an die bessere Zusammenarbeit zwischen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, den Krankenhäusern und vielleicht auch den Rehabilitationseinrichtungen.

Wenn alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen besser zusammenarbeiten, können die Patientinnen und Patienten nicht nur besser behandelt werden. Auch belastende Mehrfachuntersuchungen werden überflüssig.

Es gibt Patientinnen und Patienten, die mit ihrer Chipkarte von Arzt zu Arzt gehen, obwohl das medizinisch nicht notwendig ist. Das ist nicht nur teuer, sondern dient auch nicht dem Behandlungserfolg. Deshalb brauchen wir einen Lotsen, der die Patientinnen und Patienten durch das Gesundheitswesen schleust.

Diese Funktion kann am ehesten der Hausarzt übernehmen. Denn er kennt nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern auch das Angebot auf dem Gesundheitssektor. Ich halte es deshalb für sinnvoll, dass Patientinnen und Patienten möglichst zuerst ihren Hausarzt aufsuchen. Hierfür könnte ich mir finanzielle Anreize, wie z. B. einen Rabatt für die Patientinnen und Patienten, die sich daran halten, vorstellen.

Mit unseren aktuellen Gesetzesvorhaben setzen wir den eingeschlagenen Weg konsequent fort. Zum Teil wurden diese Gesetze schon verabschiedet, zum Teil befinden sie sich in der parlamentarischen Beratung.

Mit dem Gesetz zur Ablösung des Arzneimittelbudgets verbessern wir die Ausgabensteuerung im Arzneimittelbereich. Unwirksame und ungerechte Instrumente wie Arzneimittelbudget und Kollektivregress werden durch Arzneimittelvereinbarungen der regional verantwortlichen Selbstverwaltungspartner ersetzt. Damit wird auch die Versorgung chronisch Kranker verbessert.

Mit dem neuen Fallpauschalensystem in der Krankenhausversorgung schaffen wir ein leistungsorientiertes Preissystem, das zu mehr Transparenz und Patientenorientierung in den Krankenhäusern führt.

Die Reform des Risikostrukturausgleichs, also der Zahlungen zwischen den Krankenkassen schafft neue Rahmenbedingungen für den Wettbewerb unter den Kassen. In Zukunft wird eine hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsangebote im Mittelpunkt stehen. Neue Angebote für chronisch Kranke werden entwickelt. Gleichzeitig wird die Solidarität gestärkt und die Leistungsfähigkeit der großen Versorgungskassen dauerhaft gesichert.

Soweit nur einige Reformprojekte, an denen wir gerade arbeiten.

Eines ist klar: Der Umsteuerungsprozess im Gesundheitswesen verlangt einen langen Atem und Augenmaß. Hektische Aktivitäten bringen uns nicht weiter.

Wir brauchen eine eingehende Diskussion auch über die in der Zukunft anstehenden Fragestellungen. Dafür habe ich den "Runden Tisch" eingerichtet, an dem Vertreter aller Gruppen im Gesundheitswesen an zukunftsfähigen Lösungen arbeiten.

Unser Gesundheitssystem ist geprägt von gegenseitigen Abhängigkeiten. Staatliches Handeln, Selbstverwaltung und die verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens - sie alle sind mit einander verwoben und beeinflussen sich gegenseitig. Tragfähige Lösungen können nur im Dialog gefunden werden.

Ich hoffe, dass auch bei der Opposition bald die Erkenntnis reift, dass reine Blockade die unkreativste Politik ist und sie bereit ist, gemeinsam das Gesundheitswesen der Zukunft zu gestalten.

Die bayerische Gesundheitsministerin Frau Stewens hat die Gesundheitspolitik mit einem Formel-Eins-Rennen verglichen. "Zu stark auf die Bremse treten bedeutet ... aus der Kurve zu fliegen."

Sie kann mit diesem Vergleich wohl nur die Politik der CDU/CSU meinen. Immer im Kreis fahren - das ist das einzig Beständige an den Vorstellungen der Opposition. Diese Politik ist zum Scheitern verurteilt.

Sozialdemokratische Gesundheitspolitik bedeutet dagegen. Klaren Kurs zu halten zugunsten der Patientinnen und Patienten und für mehr Qualität im Gesundheitswesen.

Rede von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt - Kurzreferat für die Veranstaltung "Die Zukunft des Gesundheitswesens" am 3.9. in Winsen/Luhe.

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit.

zuletzt bearbeitet: 03.09.2001 nach oben

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