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Besonnenheit bei den Chronikerprogrammen - Qualität muss im Vordergrund stehen!

Gemeinsame Presseinformation BKK Landesverband Bayern und Techniker Krankenkasse

Hamburg/München, 22. Mai 2002. Die Einigung auf ein standardisiertes Programm zur besseren Versorgung von Zuckerkranken (Diabetes mellitus Typ 2) wird von den Vorstandsvorsitzenden des BKK Landesverbandes Bayern, Gerhard Schulte, und der Techniker Krankenkasse, Professor Dr. Norbert Klusen, begrüßt.

Die Vorstandsvorsitzenden geben aber zu bedenken, dass der enge Zeitrahmen für die Umsetzung des Diabetesprogramms und der weiteren geplanten Versorgungsprogramme nicht zu Lasten der Qualität gehen dürften. Zudem sei die Verknüpfung der Versorgungsprogramme mit dem milliardenschweren Krankenkassenfinanzausgleich ein Kardinalfehler, der zu einem erheblichen Missbrauchspotenzial in der Gesetzlichen Krankenversicherung führen werde.

Für die beiden Vorstandsvorsitzenden steht es außer Frage, dass es in Deutschland an strukturierten, qualitätsgesicherten Behandlungsprogrammen mangelt. Der flächendeckende Aufbau solcher Programme erfordert allerdings hohe Investitionen. Ob sich aber durch die zusätzlichen Gelder die Qualität verbessern lässt und langfristig die Behandlungskosten verringert werden, wird auch von renommierten Wissenschaftlern, wie Professor Friedrich Wilhelm Schwartz, Vorsitzender des Gesundheits-Sachverständigenrates der Bundesregierung, und Professor Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik an der Universität Bremen, bezweifelt. Ebenso werden die "illusorisch kurzen Zeitpläne" für die Einführung der Programme kritisiert. Nach Berechnungen der Techniker Krankenkasse sind kassenartenübergreifend Beitragssatzsteigerungen von bis zu 0,3 Prozentpunkten zu erwarten, welche die neuen Programme verursachen können.

Zudem wird der administrative Aufwand der Programme und das erhebliche Manipulationspotenzial nach Ansicht von Schulte unterschätzt: "Die Krankenkassen haben nach Einführung des Risikostrukturausgleichs (RSA) im Jahre 1994 sieben Jahre gebraucht, um zu einigermaßen verlässlichen Kalkulationsgrundlagen zu kommen. Bis heute ist im Übrigen noch kein RSA-Bescheid rechtskräftig geworden. Nun sollen die Versicherten innerhalb weniger Monate entsprechend ihrer möglichen chronischen Krankheiten klassifiziert und für die Einschreibung in die entsprechenden Programme motiviert werden. Dies ist seriös nicht möglich."

Die beiden Vorstandsvorsitzenden warnen vor zu viel unüberlegtem Aktivismus bei dem Behandlungsprogramm zu Diabetes und den noch folgenden Versorgungsprogrammen. Dieser könnte dem System der Gesetzlichen Krankenversicherung schwere Schäden zufügen, von dem es sich nur schwer wieder erholen könnte. Schulte und Klusen appellieren an die Entscheidungsträger, sich nicht unnötig unter Druck zu setzen. Vielmehr wäre es erst sinnvoll, die Erfahrungen aus zahlreichen Modellvorhaben und Strukturverträgen zur Behandlung chronischer Erkrankungen auszuwerten. Hier liegen noch Erkenntnisse, die auch für die Entwicklung von flächendeckenden Versorgungsprogrammen nützlich sind.

Hintergrund:

Mit standardisierten Versorgungsprogrammen für die Behandlung der chronischen Krankheiten Diabetes, Brustkrebs, Koronare Herzerkrankungen und Asthma möchte der Gesetzgeber zu einer qualitativ besseren und effizienteren medizinischen Versorgung beitragen. Um das Engagement der Krankenkassen bei der Versorgung chronisch Kranker zu erhöhen, werden die Programme mit dem kassenartenübergreifenden Finanzausgleich (Risikostrukturausgleich) verknüpft.

Das Volumen des Risikostrukturausgleichs ist schon jetzt - vor Einführung der neuen Versorgungsprogramme - immens: Allein 2001 wurden 13,9 Mrd. Euro umverteilt und damit fast doppelt soviel wie im vielfach kritisierten und beklagten Länderfinanzausgleich. Erste Hochrechnungen gehen davon aus, dass der zur Verteilung zwischen den Krankenkassen vorgesehene Kuchen bald auf 20 Mrd. Euro anwachsen könnte.

Die Techniker Krankenkasse muss schon jetzt über 30 Prozent ihres Haushaltsvolumens in den Risikostrukturausgleich einzahlen. Einzelne Betriebskrankenkassen führen bis zu 50 Prozent ihrer Einnahmen in den Ausgleichstopf ab.

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zuletzt bearbeitet: 22.05.2002 nach oben

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