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Ulla Schmidt: Gesundheitsreform sorgt für umfassende Modernisierung

Erstes Projekt der Agenda 2010 kann in Kraft treten

Heute hat der Bundesrat das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) beschlossen. Damit kann die Gesundheitsreform als erstes Projekt der Agenda 2010 am 01.01.2004 in Kraft treten.

Dazu erklärt Bundessozialministerin Ulla Schmidt: "Diese Reform stellt die Weichen für eine umfassende strukturelle Erneuerung des deutschen Gesundheitswesens. Wir brechen die verkrusteten Strukturen auf und bringen mehr Qualität, Mitsprache und Effizienz in das Gesundheitssystem. Außerdem werden die Krankenkassenbeiträge gesenkt und die Ausgaben im Gesundheitswesen gebremst. Jeder Cent soll so effizient wie möglich eingesetzt werden.

Oberstes Ziel ist dabei, dass jede Bürgerin und jeder Bürger auch in Zukunft die medizinisch notwendige Versorgung bekommt, die sie oder er benötigt. Und dies unabhängig vom Alter und Einkommen.

Diese Gesundheitsreform ist eine umfassende Strukturreform. Wir öffnen in allen Versorgungsbereichen kollektivvertragliche Strukturen zugunsten wettbewerblicher Lösungen, fördern die integrierte Versorgung bis an die Grenze des Möglichen und geben vielfache Anreize zur Förderung von Qualität und Wirtschaftlichkeit.

Die Beitragssätze in der Gesetzlichen Krankenversicherung werden bereits im nächsten Jahr von durchschnittlich 14,3 Prozent auf 13,6 Prozent und bis 2006 deutlich unter 13 Prozent sinken. Damit senken wir die Lohnnebenkosten nachhaltig.

Nachdem Bundestag und Bundesrat dieser Reform zugestimmt haben, sind nun alle Akteure - wie beispielsweise Krankenkassen, Apotheker, Krankenhäuser oder auch die Kassenärztlichen Vereinigungen - dazu aufgefordert, die neuen Spielräume für mehr Qualität und Wettbewerb zu nutzen. Einige sind bereits auf einem guten Weg und andere erweisen sich derzeit noch als Bremser.

Mit der Gesundheitsreform stellen wir die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt. Sie sollten sich genau anschauen, welche Akteure sich den Zeichen der Zeit stellen und welche sich Erneuerungen verwehren." nach oben

Mehr Qualität in der Versorgung bedeutet unter anderem, dass die Krankenkassen verpflichtet werden, ihren Versicherten ein Hausarztsystem anzubieten. Der Hausarzt soll die Rolle eines Lotsen übernehmen und erster Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten sein. Je nach Behandlungsbedarf überweist er an den entsprechenden Facharzt und koordiniert die gesamte Behandlung.

Hochspezialisierte fachärztliche Leistungen und auch die fachärztliche Versorgung im Rahmen von strukturierten Behandlungsprogrammen für chronisch kranke Menschen können in Zukunft auch von Krankenhäusern übernommen werden. Damit wird der ständige Arztwechsel zwischen Aufenthalten im Krankenhaus und Facharztbesuchen vermieden.

Mit dem Instrument der integrierten Versorgung erhalten die Krankenkassen die Möglichkeit, ihren Versicherten eine abgestimmte Versorgung anzubieten, bei der Haus- und Fachärzte, ärztliche und nichtärztliche Leistungserbringer, ambulanter und stationärer Bereich sowie ggf. Apotheken koordiniert zusammenwirken. Mit der Gesundheitsreform werden rechtliche Hemmnisse abgebaut und finanzielle Anreize gesetzt, um den Ausbau der integrierten Versorgung zu fördern.

Durch die Reform soll die medizinische Versorgung stärker aus einer Hand erfolgen. Deshalb fördern wir die Zusammenarbeit von Ärzten, Therapeuten und anderen Heilberufen in sogenannten medizinischen Versorgungszentren. Als Vorbild dienen dafür die brandenburgischen Gesundheitszentren wie auch die Polikliniken der ehemaligen DDR. Der Patient profitiert in diesen Zentren davon, dass sich die Ärzte miteinander abstimmen, Doppeluntersuchungen vermieden werden und letztlich von den kurzen Wegen unter einem Dach. Zudem können Ärzte in diesen Zentren auch als Angestellte beschäftigt werden. Damit müssen sie sich nicht dem unternehmerischen Risiko einer eigenen Praxis aussetzen.

Die Krankenhäuser in unterversorgten Gebieten werden für hochspezialisierte Leistungen zur ambulanten Versorgung geöffnet. Für die Versorgung in den ostdeutschen Ländern ist wichtig, dass das Einkommen der Kassenärzte bis 2006 an das Westniveau angeglichen werden soll.

Wichtig für die Qualität der medizinischen Versorgung sind gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte die sich regelmäßig fortbilden. Daher wird mit der Reform eine Pflicht zur Fortbildung - unabhängig von wirtschaftlichen Interessen - festgeschrieben. Wer sich daran nicht hält, dem drohen Vergütungsabschläge oder sogar der Entzug der Zulassung.

Versicherte in der Gesetzlichen Krankenkasse können in allen Ländern der Europäischen Union ambulante ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen. Bei stationären Leistungen ist die vorherige Zustimmung der Krankenkasse einzuholen.

Mit dem neu zu gründenden Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen werden - wissenschaftlich abgesichert - medizinische Behandlungen, Operationsverfahren oder auch Arzneimittel auf ihren Nutzen untersucht und Empfehlungen für die Behandlung bei bestimmten Krankheiten abgegeben. Diese Informationen sollen allgemein verständlich sein, damit sich die Patientinnen und Patienten umfassend informieren können.

Durch verschiedene Neuerungen wird mehr Mitsprache und Transparenz im Gesundheitswesen Einzug erhalten. Ab 2006 erhält jeder Versicherte eine fälschungssichere elektronische Gesundheitskarte. Neben den Versichertendaten (Name, Krankenkasse, etc.) erhält die Karte alle Angaben zur Speicherung eines elektronischen Rezeptes. Auf freiwilliger Basis können zusätzliche Gesundheitsdaten (z. B. Blutgruppe, Allergien, chronische Erkrankungen) auf der Karte gespeichert werden. Die Gesundheitskarte ist zudem ein wichtiger Schritt zum Abbau von Bürokratie gerade in den Arztpraxen. So haben Ärztinnen und Ärzte wieder mehr Zeit für ihre Patienten.

Mit der kostenlosen Patientenquittung hat ab 2004 jeder Patient das Recht, sich alle Leistungen und Kosten auflisten zu lassen, die der behandelnde Arzt bei der Krankenkasse abrechnet. Er kann dies nach jedem Arztbesuch verlangen alternativ einmal pro Quartal in einer Übersicht.

Mit der Gesundheitsreform werden die Krankenkassen dazu aufgefordert ihren Versicherten auch Bonusprogramme anzubieten. Wer sich beispielsweise gesundheitsbewusst verhält und regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen oder Präventionsprogrammen teilnimmt, soll dafür belohnt werden. So kann er durch die Teilnahme an solchen Programmen seine Beiträge und Zuzahlungen senken. Dies gilt im Übrigen auch für die Einschreibung in ein Hausarztsystem, ein Chronikerprogramm oder eine integrierte Versorgung. Die Kassen entscheiden unabhängig über ihre Bonusprogramme und die Patienten können sich entscheiden, welches Angebot sie am attraktivsten finden.

Mit dem Patientenbeauftragten wird ein zentrales Sprachrohr für die Interessen der Patienten in der Öffentlichkeit geschaffen. Unabhängig und in beratender Funktion setzt sich die/der Patientenbeauftragte, welche/r vom Bundeskabinett berufen wird, für die Rechte aller Versicherten auf Bundesebene in den politischen Gremien ein.

Die Mitsprache von Patienten im Gesundheitswesen wird gestärkt. Alle Gremien, die sich direkt oder indirekt mit Entscheidungen oder Ergebnissen die Patienten betreffen, befassen, sind verpflichtet deren Interessen zu berücksichtigen. Patienten- und Behindertenverbände sowie Selbsthilfeorganisationen werden unmittelbar in Entscheidungsprozesse mit einbezogen.

Durch die Gesundheitsreform werden jahrelange Streitigkeiten zwischen den Krankenkassen und der Pflegeversicherung beendet. Es wird Klarheit darüber geschaffen, dass die Kosten für das An- und Ausziehen von Stützstrümpfen ab der Kompressionsklasse 2 durch die Krankenkassen zu bezahlen sind. Damit werden Pflegebedürftige deutlich entlastet.

Die Arzneimittelausgaben sind im vergangenen Jahr erneut deutlich auf rund 23 Milliarden Euro gestiegen. Zudem wurden viele Medikamente verschrieben, deren Nutzen für den Patienten nicht immer ersichtlich ist. Das Gesundheitswesen kann es sich nicht länger erlauben, Scheininnovationen mit wenig Nutzen zu hohen Preisen zu erstatten. Künftig werden daher patentgeschützte Arzneimittel, die keine nennenswerte therapeutische Verbesserung bewirken, in die Festbetragsregelung mit einbezogen. Damit wird die Solidargemeinschaft vor Scheininnovationen geschützt, für die keine überhöhten Preise mehr bezahlt werden müssen.

Für nicht verschreibungspflichtige Arzneien wird es einen Preiswettbewerb geben. Die Apotheker entscheiden also in Zukunft selber darüber, welches Medikament sie zu welchem Preis verkaufen. Patientinnen und Patienten können daher Preisvergleiche durchführen und beispielsweise ein Kopfschmerzmittel oder einen Hustensaft dort kaufen, wo er am billigsten ist. Die Versicherten werden aber in Zukunft die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente selber tragen müssen. Dies ist heute schon zu 2/3 der Fall. Ausgenommen davon sind Verordnungen für Kinder bis zum 12. Lebensjahr, Jugendliche mit Entwicklungsstörungen sowie die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen, wenn solche Medikamente zum Therapiestandard gehören.

Auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ändern sich die Zuzahlungsregelungen. Die Zuzahlung beträgt dann zehn Prozent des Preises, jedoch mindestens fünf und maximal zehn Euro. In jedem Fall jedoch nicht mehr als die Kosten des Mittels.

Ab 2004 wird der Versandhandel für apothekenpflichtige Medikamente in Deutschland zugelassen. Für die Versandapotheken gelten natürlich die gleichen Standards an Qualität, Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit wie in den Apotheken vor Ort. Bevor eine Versandapotheke ein apothekenpflichtiges Medikament an den Patienten verschickt, muss das Rezept dort vorliegen. Der große Vorteil für gerade ältere oder nicht mobile Patienten ist, dass sie ihre Medikamente mit der Post nach Hause geschickt bekommen. Ein Apotheker darf zukünftig bis zu vier Apotheken besitzen.

Auch bei den Organisationsstrukturen innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung ändert sich einiges. Die bisherige Zahl der Kassenärztlichen Vereinigungen wird von bisher 23 auf 17 oder 18 schrumpfen. Auf diese Weise reduziert sich der Verwaltungsaufwand und das eingesparte Geld kann für seinen eigentlichen Zweck eingesetzt werden: die Gesundheit der Patientinnen und Patienten.

Die rund 359 gesetzlichen Krankenkassen müssen künftig ihre Verwaltungskosten begrenzen. Wenn diese Ausgaben pro Mitglied um mehr als zehn Prozent über dem Durchschnitt liegen, hat dies Konsequenzen für die Kasse. Ihre Verwaltungsausgaben werden dann "eingefroren". Wichtig für die Transparenz ist, dass künftig die Höhe der Ausgaben für Leistungen aber auch für Verwaltung gesondert auszuweisen sind sowie die Summe der Vorstandsgehälter veröffentlicht werden muss. Damit können die Patientinnen und Patienten einschätzen, wofür ihre Krankenkasse die Beiträge verwendet.

Korruption im Gesundheitswesen soll stärker als bisher bekämpft werden. Dazu sollen die Krankenkassen, die Kassenärztlichen sowie die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen auf Landes- und Bundesebene entsprechende Stellen zur Bekämpfung der Korruption einrichten.

Auch langfristig muss das deutsche Gesundheitswesen finanzierbar bleiben. Wichtig ist dabei, dass diese Reform sozial gerecht ist und die soziale Balance hält. Wer sich die Reform genau anschaut, erkennt, dass beispielsweise die pharmazeutische Industrie, der Großhandel und die Apotheker ihren Teil dazu beitragen müssen. Aber es soll nicht verschwiegen werden, dass auch die Versicherten und Patienten ihren Teil tragen müssen. Dabei wird jedoch niemand überfordert.

Grundsätzlich gilt eine Zuzahlung von zehn Prozent bei allen medizinischen Leistungen, mindestens fünf Euro und höchstens zehn Euro. Zudem gibt es eine Praxisgebühr von zehn Euro im Quartal. Bei Überweisungen sowie bei Vorsorgemaßnahmen fällt keine Praxisgebühr an. Für alle Zuzahlungen gilt eine Höchstgrenze von zwei Prozent des beitragspflichtigen Bruttoeinkommens. Chronisch Kranke zahlen höchstens ein Prozent des beitragspflichtigen Bruttoeinkommens und für Familien gibt es weitere Erleichterungen.

Sehhilfen werden nur noch für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sowie bei schwer sehbeeinträchtigten Menschen erstattet.

Ab 2005 wird die Versicherung des Zahnersatzes neu geregelt. Der Zahnersatz bleibt eine Pflichtversicherung, die die Patienten sowohl bei einer gesetzlichen Krankenkasse als auch bei einer privaten Krankenkasse abschließen kann. In der Gesetzlichen Krankenversicherung gibt es die beitragsfreie Familienmitversicherung.

Die Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung werden grundsätzlich nicht von der Krankenkasse übernommen. Wenn es zwingende medizinische Gründe gibt, kann die Krankenkasse in besonderen Fällen eine Genehmigung erteilen und die Kosten übernehmen.

Zur Finanzierung des Krankengeldes wird ab 2006 von den Versicherten ein Sonderbeitrag in Höhe von 0,5 Prozent erhoben.

Bei der künstlichen Befruchtung werden die Versuche, die von der Krankenkasse jeweils zu 50 Prozent bezahlt werden, von bisher vier auf zukünftig drei reduziert. Zudem gilt eine Altersbegrenzung für Frauen zwischen 25 und 40 Jahre sowie für Männer bis 50 Jahre.

Sofern eine Sterilisation der persönlichen Lebensplanung dient, muss diese Leistung künftig von den Versicherten selbst finanziert werden.

Das Sterbegeld sowie das Entbindungsgeld werden aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung herausgenommen.

Alle diese Regelungen sollen im Übrigen auch auf Beamte und Politiker übertragen werden.

Weitere Informationen können der angefügten Tabelle (PDF-Datei 125 kb) über die Zuzahlungen entnommen werden.

zuletzt bearbeitet: 17.10.2003 nach oben

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