Das unabhängige Diabetes-Portal DiabSite

Home > Aktuelles > Diabetes-Nachrichten > Archive > 2008 > 081107b

Aktuelle Erkenntnisse zum Nutzen körperlicher Aktivität:

Abstract zum Vortrag von Dr. med. Johannes Martin Halle im Rahmen einer Pressekonferenz zur DDG-Herbsttagung 2008.

Warum ist Bewegung in der Diabetes-Therapie so wichtig?

Prof. Johannes Martin Halle Körperliche Aktivität konnte innerhalb der letzten Jahre neben der Ernährungsumstellung und Pharmakotherapie als wesentliche Säule in der Prävention und Therapie des Typ-2-Diabetes mellitus etabliert werden. In der Primärprävention senkt körperliche Aktivität das Risiko eines manifesten Typ-2-Diabetes insbesondere bei Risikopatienten (BMI > 26 kg/m2, Hypertoniker, positive Familienanamnese). So kann das mit zunehmendem BMI exponenziell ansteigende Diabetesrisiko bereits durch einmalige gezielte intensive körperliche Aktivität pro Woche im Sinne von "Sporttreiben" gesenkt werden.

Auch Interventionsstudien belegen, wie wichtig Lebensstiländerungen zur Prävention des Typ-2-Diabetes besonders bei übergewichtigen Personen mit eingeschränkter Glukosetoleranz - also Prädiabetes - sind. So konnte durch gezielte Intensivierung der körperlichen Aktivität in Kombination mit einer Ernährungsumstellung bei übergewichtigen Männern und Frauen mit eingeschränkter Glukosetoleranz die Manifestation des Typ-2-Diabetes um fast 60 Prozent reduziert werden.

Die hierfür notwendige körperliche Aktivität entsprach 2,5 Stunden Spazierengehen pro Woche beziehungsweise 30 Minuten zügiges Spazierengehen pro Tag. Dabei zeigte sich, dass sich in dem Zeitraum von vier Jahren überhaupt keine Konversion von den Vorstufen des Diabetes zum klinisch manifesten Diabetes zeigte, wenn vier der fünf Interventionsziele erreicht wurden (Gewichtsabnahme von ≥ 5 Prozent, ≥ 30 Minuten Spazierengehen pro Tag, fettreduzierte Ernährung, vermehrt ungesättigte Fettsäuren, Ballaststoffe erhöhen). Interessanterweise hält dieser Effekt der aktiven Intervention über mindestens weitere vier Jahre an.

Auch bei klinisch manifestem Typ-2-Diabetes mellitus nimmt körperliche Aktivität eine zentrale Therapiestrategie ein. So ist bekannt, dass Spaziergehen von 4,5 Stunden pro Woche das gesamte kardiometabolische Risikoprofil inklusive Bauchumfang, Insulinresistenz, Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen verbessert und die kardiovaskuläre Mortalität (Sterblichkeit, Anm. d. Red.) der Patienten um 35 Prozent senkt. Ähnliches konnte in einer großen, aktuellen Studie, dem LOOK AHEAD Trial, gezeigt werden. Auch hier konnten durch eine Lebensstilintervention (Gewichtsreduktion von ≥ 5 Prozent, zügiges Spazierengehen von 30 Minuten pro Tag) alle Herzkreislaufrisikofaktoren verbessert werden.

Diese positiven Erkenntnisse körperlicher Aktivität sind beeindruckend und denen einer Pharmakotherapie mindestens gleichzusetzen. Die Effekte sind bisher primär für übergewichtige Personen untersucht worden. Hierbei spielt nicht die übermäßige Gewichtsreduktion die entscheidende Rolle, sondern die Umsetzung eines aktiveren Lebensstils. Es wird davon ausgegangen, dass durch die Implementierung von körperlicher Aktivität als Therapiestrategie bei Patienten mit Metabolischem Syndrom, Prädiabetes und klinisch manifestem Diabetes mellitus die kardiovaskulären Spätkomplikationen um mindestens 10 bis 30 Prozent gesenkt werden könnten. Dieses würde eine dramatische Kostenreduktion im Gesundheitssystem bewirken.

Unverständlich, warum gerade bei der aktuellen Diskussion des Gesundheitsfonds entsprechende Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden. So erhalten ab dem 1.1.2009 Krankenkassen deutlich mehr Geld aus dem Fond, wenn sie Patienten mit Diabetes versichert haben, als ohne. Der Anreiz für die Prävention der Erkrankung ist hiermit vernichtet worden.

Quellen

  • Helmrich SP, Ragland DR, Leung RW, Paffenbarger RS, Jr. Physical activity and reduced occurrence of non-insulin-dependent diabetes mellitus. N Engl J Med 1991; 325(3):147-152.

  • Manson JE, Nathan DM, Krolewski AS, Stampfer MJ, Willett WC, Hennekens CH. A prospective study of exercise and incidence of diabetes among US male physicians. JAMA 1992; 268(1):63-67.

  • Knowler WC, Barrett-Connor E, Fowler SE et al. Reduction in the incidence of type 2 diabetes with lifestyle intervention or metformin. N Engl J Med 2002; 346(6):393-403.

  • Lindstrom J, Ilanne-Parikka P, Peltonen M et al. Sustained reduction in the incidence of type 2 diabetes by lifestyle intervention: follow-up of the Finnish Diabetes Prevention Study. Lancet 2006; 368(9548):1673-1679.

  • Tuomilehto J, Lindstrom J, Eriksson JG et al. Prevention of type 2 diabetes mellitus by changes in lifestyle among subjects with impaired glucose tolerance. N Engl J Med 2001; 344(18):1343-1350.

  • Di LC, Fanelli C, Lucidi P et al. Make your diabetic patients walk: long-term impact of different amounts of physical activity on type 2 diabetes. Diabetes Care 2005; 28(6):1295-1302.

  • Pi-Sunyer X, Blackburn G, Brancati FL et al. Reduction in weight and cardiovascular disease risk factors in individuals with type 2 diabetes: one-year results of the look AHEAD trial. Diabetes Care 2007; 30(6):1374-1383.

Bildunterschrift: Dr. med. Johannes Martin Halle, Medizinische Universitätsklinik der Technischen Universität München.
Bildquelle: Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG)

zuletzt bearbeitet: 07.11.2008 nach oben

Unterstützer der DiabSite:

Birgit Ruben

Birgit Ruben

Weitere Angebote:

Spendenaufruf Ukraine

Hilfeaufruf Ukraine

Diabetes-Portal DiabSite startet Spendenaufruf für Menschen in der Ukraine.