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Der herzkranke Diabetiker - eine Herausforderung in der Behandlung

Abstract zum Vortrag von Prof. Dr. med. Dr. h. c. Diethelm Tschöpe, Bad Oeynhausen, im Rahmen einer Pressekonferenz von sanofi-aventis bei der 8. Jahrestagung der Stiftung "Der herzkranke Diabetiker".

Diabetes mellitus - Risiko für Herz und Gefäße

Dreiviertel der Diabetiker sterben an akuten Gefäßverschlüssen, vor allem am Herzinfarkt. Diese Situation verursacht die ökonomische Hauptlast der Volkskrankheit Diabetes. Primäre Herausforderung für die Diabetologie und alle Versorgungsdisziplinen von gefäßkranken Diabetikern muss eine verbesserte Behandlung solcher Patienten sein, wobei der Präventionsgedanke Vorrang haben sollte ("Prävention vor Intervention"!).

Besondere Beachtung erfährt die Komorbidität von Gefäßrisikofaktoren im Rahmen des "Metabolisch-Vaskulären Syndroms" (MVS), das einerseits zur Diabetesmanifestation prädisponiert und andererseits den starken Anstieg kardiovaskulärer Erkrankungen wie Herzinfarkt und Herzinsuffizienz unterhält und damit die Prognose ungünstig beeinflusst. Daher sollte immer auch nach einem Diabetes gefahndet werden. Ein hoher Anteil der Bevölkerung oberhalb des 55. Lebensjahres ist vom Typ-2-Diabetes und seinen Vorstufen betroffen, aber noch nicht diagnostiziert. Umgekehrt sind Störungen des Glucosestoffwechsels bei akut Gefäßkranken die Regel (> 60 %) - der Herzinfarkt als Erstsymptom des Diabetes mellitus ist erschreckende Wahrheit.

Wer ist betroffen?

Morbidität und Mortalität kardiovaskulärer Komplikationen steigen bei Diabetespatienten mit zunehmendem Lebensalter an. Dabei nimmt nicht nur die Häufigkeit des Typ-2-Diabetes zu, sondern auch der Anteil arterieller Gefäßkomplikationen, insbesondere am Herzen, der Hirnstrombahn und den Beinarterien. Dies stellt eine große Herausforderung für behandelnde Diabetologen, Kardiologen, Angiologen, Herz- bzw. Gefäßchirurgen und betroffene Patienten dar.

Gerade wenn es gelungen ist, einen akuten Infarkt erfolgreich zu überleben oder eine umfangreiche Wiederherstellung der Herzdurchblutung durch Bypässe oder Ballonkatheter zu erreichen, darf die wiedererlangte Symptomfreiheit nicht als Entwarnung verstanden werden. Gerade jetzt werden alle Möglichkeiten gebraucht, die Funktionsfähigkeit der wertvollen Durchblutung aufrechtzuerhalten. Das begründet die Notwendigkeit der sorgfältigen Kontrolle und zielwertgerechten Einstellung aller Risikofaktoren wie z. B. hohe Blutdruck-, Lipid- und Blutzuckerwerte.

Ungünstige Prognose bei Diabetikern

Das Herz bestimmt bei Diabetikern mehrheitlich die Lebenszeitprognose. Aus frühen Störungen der Pumpfunktion entwickelt sich häufiger eine Herzschwäche. Die Herzinsuffizienz stellt eine bevölkerungsweite Pandemie mit verheerenden Konsequenzen für die Prognose des Einzelpatienten. Umgekehrt weist ein erheblicher Teil der Betroffenen auch einen Diabetes auf, d.h. die Kriterien des MVS prädisponieren zur Herzinsuffizienz.

Während dieser Zusammenhang für die Adipositas unmittelbar einleuchtet, ist die inverse Beziehung der Insulinresistenz zur kongestiven Herzinsuffizienz neu. Herzinsuffiziente Patienten mit einem Diabetes haben eine deutlich schlechtere Prognose. Erhöhte Nüchternzuckerspiegel stellen bereits ein höheres Risiko für kardiogenen Schock (akutes Pumpversagen) bei Postinfarktpatienten auf der Intensivstation dar. Neu ist der Befund, dass klassisch mikroangiopathische Komorbiditäten wie die Retinopathie einen hohen Indikatorwert für die künftige Prognose solcher Patienten haben.

Konsequente Behandlung muss gefordert werden

Für alle Diabetespatienten (auch mit MVS) ist zur effektiven Verbesserung der Prognose ein konsequent individualisierter Behandlungsansatz zu fordern. Daher sollte zur frühzeitigen Abschätzung der Organgefährdung eine angemessene Diagnostik vorrangig mit nichtinvasiven Verfahren erfolgen. Letztlich kommt es auf ein patienten- und stadiengerechtes Risikofaktorenmanagement an, das in der Primärprävention (des Gefäßbefalls) beginnt und bis zur Tertiärprävention (Erhaltung der Gefäßoffenheit) nach Revaskularisierung reicht.

Die normnahe Blutzuckereinstellung ist Basistherapie. Beim akuten Infarktpatienten gehört die Optimierung der myokardialen Substratflusssteuerung durch strenge Euglykämie zur Intensivtherapie generell. Eine messwertgesteuerte parenterale Insulintherapie ist aus logistischen Gründen zu bevorzugen. In der Dauerbehandlung müssen Betroffene zusätzlich ihren Lebensstil durch ausreichende Bewegung, modifizierte Ernährung (wenig Cholesterin, mehr ungesättigte Fettsäuren) und konsequente Nikotinabstinenz verändern - dazu kommt die aktive pharmakologische Korrektur von Risikofaktoren in einem integrierten Konzept.

Der Behandlungserfolg mit entsprechenden Medikamenten (Lipidsenkern, Antihypertensiva und Thrombozytenfunktionshemmern) ist bei Diabetikern generell besser als bei Nichtdiabetikern. Mit der Prognose entsprechend einem durchgemachten Herzinfarkt ergibt sich für Diabetiker generell die Indikation zu einem früheren Einsatz von Medikamenten mit organ- (hier: herz-) schützenden Eigenschaften.

Strukturelle Defizite noch immer ein Problem

Derzeit scheitert die Umsetzung häufig an strukturellen Defiziten: Die Patienten werden allein der Symptomatik folgend unterschiedlichen Spezialisten vorgestellt, denen einerseits die fächerübergreifende Ereignisabfolge im konkreten Einzelfall nicht gegenwärtig ist und die andererseits das notwendige Diagnostik- und Therapiespektrum nicht vorhalten. Das fehlende Krankheitserleben vieler Patienten verstetigt diese Strukturdefizite, die in eine zu späte präventive und interventionelle Korrektur einmünden.

Eine Öffnung und gegenseitige Vernetzung strukturierter Behandlungsprogramme (DMP Diabetes KHK) könnten zur Problemlösung beitragen. Die Landesärztekammer Sachsen hat mit der Ausformulierung einer Verbundleitlinie Metabolisch-Vaskuläres-Syndrom eine versorgungsnahe Umsetzung vorgezeichnet. Vor allem aber ist fehlende Kommunikation Ursache und Ansatz zu einer verbesserten Versorgungssituation zugleich.

Hier setzt auch die Stiftung "Der herzkranke Diabetiker" (DHD) in der DDS an. Die Stiftung sieht sich als Pendant zur amerikanischen "Make-the-Link"-Initiative und als gesundheits-politischer Interessenvertreter der vielen Menschen mit Diabetes mellitus, die Probleme an Herz und Gefäßen entwickelt haben und deren Belange bislang unzureichend thematisiert werden. Mit Aufklärung, Prävention und Forschung will die Stiftung DHD dazu beitragen, dass sowohl die stoffwechsel- als auch gefäßmedizinische Behandlung des Diabetikers berücksichtigt und in der Versorgung angemessen abgebildet wird. Die Stiftung verleiht dazu einmal jährlich einen Förderpreis für exzellente Forschungsarbeiten, engagiert sich im Rahmen der bundesweiten Aktion "Gesünder unter 7" und hat kürzlich gemeinsam mit den Berufverbänden niedergelassener Diabetologen und Kardiologen (BVND und BNK) die Kampagne "Diabetes ist Herzenssache" ins Leben gerufen.

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zuletzt bearbeitet: 05.12.2008 nach oben

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