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Basalinsulinanaloga

Abstract zum Vortrag von Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger am 5. Dez. 2008

Studien-Update 2008

Eine frühzeitige und effektive Behandlung des Typ-2-Diabetes ist bei stetig steigender Prävalenz der Erkrankung in Deutschland und weltweit von größter gesundheitspolitischer Bedeutung: Aus den Erkenntnissen zahlreicher Präventions- und Interventionsstudien ist klar abzuleiten, dass nur bei optimaler Stoffwechselkontrolle eine Reduktion diabetischer makro- und mikrovaskulärer Folgeerkrankungen erreicht werden kann.

Neueste Erkenntnisse dieses Jahres aus umfangreichen Endpunkt-Studien und einem 10-Jahres-Follow-up der UKPD-Studie[1], in dem ein Fortdauern des günstigen Effektes einer intensiven Blutzuckereinstellung über die Dauer der UKPD-Studie hinaus nachweisbar war (sog. "Legacy-Effekt"), unterstützen die grundsätzliche Forderung nach einer frühzeitigen guten Blutzuckereinstellung.

Um die Zielwerte der Blutzuckerkontrolle für Typ-2-Diabetiker zu erreichen (Europäischer Zielwert: HbA1c: 6,5 %, Nüchtern-Blutglucose: < 110 mg/dl (< 6,1 mmol/l.)), muss das Behandlungskonzept für diese Patientengruppe optimiert werden: Neben kontinuierlichen Schulungsmaßnahmen mit Umstellung der Lebensführung (Ernährungs- und Bewegungsverhalten) sollte die Behandlung bei Nichterreichen der Zielwerte rasch vorangetrieben werden, was eine frühe Kombination von oralen Antidiabetika, aber auch eine frühe Kombination oraler Antidiabetika mit Insulin bedeutet und schließlich in einem Therapiestufenschema die frühe Umstellung auf eine intensivierte Insulin-Monotherapie bedeuten kann.

Gleichzeitig muss es Ziel, insbesondere der effektiv den HbA1c-senkenden Insulin-Kombinations- wie auch Insulin-Monotherapie, sein, ein optimales Gleichgewicht zwischen dem Erreichen einer guten Blutzuckereinstellung und dem Risiko für Hypoglykämien, insbesondere der gefürchteten schweren Hypoglykämien, zu schaffen.

Bei der Wahl des Basalinsulins birgt die Gabe von NPH-Insulin ein erhöhtes Risiko für nächtliche und schwere Hypoglykämien, im Gegensatz zu Basalinsulin-Analoga mit flachem Wirkverlauf wie Insulin glargin. Für Insulin glargin verglichen mit NPH-Insulin konnte in der bislang umfangreichsten Metaanalyse (11 Studien bei Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes) die Raten der relativen Risikoreduktion für Hypoglykämien adjustiert auf die erreichten Endpunkt-HbA1c-Werte ermittelt werden[2]. In der Regressionsanalyse von Studien zum Vergleich der Effektivität von Insulin glargin und NPH-Insulin (Phase IV-Studien) ergaben sich relative Risikoreduktionsraten von 16,2 % für alle symptomatischen Hypoglykämien, von 40,8 % für bestätigte Hypoglykämien und von 46,8 % für schwere Hypoglykämien.

In der bislang einzigen Langzeituntersuchung zur Verträglichkeit eines Analoginsulins konnte für Insulin glargin nachgewiesen werden, dass der Vorteil einer geringeren Hypoglykämierate über fünf Jahre Langzeitanwendung erhalten bleibt[3]. Insbesondere konnte diese Studie zeigen, dass Insulin glargin genauso sicher bezüglich des 3-Schritt-Fortschreitens einer Retinopathie ist, wie NPH-Insulin (14,2 % (Insulin glargin) vs. 15,7 % (NPH-Insulin), Unterschied -1,98 [95 % Konfidenzintervall -7,02 bis 3,06]).

In der neu im Oktober 2008 erschienenen Evidenzbasierten Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) wird bei einem HbA1c ≥7,5 % unter Metformin-Monotherapie oder einem HbA1c ≥6,5 % unter Metformin-Kombinationstherapie mit einem weiteren oralen Antidiabetikum eine Kombination vorzugsweise mit Basalinsulin empfohlen. In der 2008 im The Lancet publizierten APOLLO-Studie zeigten Bretzel und Kollegen mit dem langwirksamen Insulin glargin plus OAD wie auch mit dem kurzwirksamen Insulinlispro plus OAD eine gleich gute Absenkung des HbA1c unter 7 %[4].

Allerdings traten wesentlich weniger Hypoglykämien mit der basalunterstützten oralen Therapie (BOT) mit Insulin glargin als mit der prandialen Insulintherapie mit Insulinlispro auf (5,21 (Glargin) vs. 24,00 (Lispro) Ereignisse pro Patientenjahr; p<0,0001). Die Therapiezufriedenheit der Patienten mit der BOT mit Insulin glargin war am Ende der Studie signifikant höher als die der Patienten mit prandialer Insulintherapie. Rosenstock und Kollegen verglichen die beiden Basalanaloginsuline Glargin und Detemir erstmalig in Kombination mit oralen Antidiabetika[5]. Mit beiden Analoginsulinen wurde am Ende dieser Studie ein vergleichbarer HbA1c von 7,1 % (Glargin) bzw. 7,2 % (Detemir) erreicht, allerdings mit einer im Mittel deutlich höheren Dosierung des Insulindetemir verglichen mit Insulin glargin (0,78 E/kg vs. 0,44 E/kg).

Dass Typ-2-Diabetiker bereits in einem sehr frühen Stadium ihrer Erkrankung von einer Basalinsulingabe profitieren können, zeigten Hoffmann et al. auf der diesjährigen Jahrestagung der DDG[6]. Sie verglichen mit Metformin behandelte mit Glargin behandelten Typ-2-Diabetikern: der Einsatz von Insulin glargin führte im Mittel zu niedrigeren HbA1c-Werten (5,7 vs. 6,0 %) und signifikant verbesserter glykämischer Kontrolle am Morgen und nach einer Testmahlzeit.

Ist nach erfolgreicher stufenweiser Intensivierung der Insulintherapie gemäß der Evidenzbasierten Leitlinie der DDG eine Insulinmonotherapie erforderlich, sollte eine intensivierte Basis-Bolus-Therapie mit Analoginsulinen gewählt werden, da diese einer konventionellen Insulintherapie mit zweimal täglich verabreichtem Mischinsulin (30 % kurzwirksames Human- oder Analoginsulin, 70 % Basalinsulin) bezüglich der Absenkung des HbA1c-Wertes signifikant überlegen ist, wie die GINGER-Studie eindrücklich belegt[7].

Eine retrospektive Langzeitbeobachtung über fünf Jahre zeigte, dass bei der Verwendung von Insulin glargin signifikant weniger Myokardinfarkte auftraten als unter Verwendung von NPH-Insulin[8].

Alle bislang vorhandene Evidenz unterstützt eindringlich die Forderung, rechtzeitig mit einer zielorientierten Diabetestherapie zu beginnen und die Zielwerte dauerhaft zu halten, um die gefürchteten mikro- und makrovaskulären Komplikationen zu vermeiden, wogegen die Glykämiekontrolle in späten Stadien des Typ-2-Diabetes individuell auf das Risikoprofil möglicherweise bereits vorhandener Folgeschäden abgestimmt werden muss. Mit Insulin glargin steht eine wichtige Therapieoption zur Verfügung, um bei deutlich verringerter Hypoglykämiegefahr, verbunden mit der nur einmal täglich notwendigen Injektion des Insulins die Ziele der Blutzuckereinstellung mit größerer Sicherheit für die Patienten sowie effektiver zu erreichen und langfristig Komplikationen wie Myokardinfarkte zu verringern.

Quellen

  1. Holman R et al. N Engl J Med 2008; 359: 1577-89.
  2. Mullins P et al. Clinical Therapeutics 2007; 29: 1607-19.
  3. Rosenstock J et al. Diabetes 2008; 57 (Suppl. 1); A86, Abstr. 301-OR.
  4. Bretzel RG et al. Lancet 2008; 371: 1073-84.
  5. Rosenstock J et al. Diabetologia 2008; 51: 408-16.
  6. Hoffmann C et al. Diabetologie & Stoffwechsel 2008; 3: S77, Abstr. 223.
  7. Fritsche A et al. Diabetologia 2008; 51 (Suppl. 1): S 83, Abstr. 186.
  8. Rhoads GG et al. ADA 68th scientific sessions 2008; Late Breaking Abstracts Handout: LB5, Abstr. 12-LB.

Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger, München, im Rahmen einer Pressekonferenz von sanofi-aventis bei der 8. Jahrestagung der Stiftung "Der herzkranke Diabetiker".

zuletzt bearbeitet: 05.12.2008 nach oben

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