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Neue Genvarianten für Diabetes erklären Funktion der Betazelle

Studienergebnisse könnten Prävention und Therapie des Typ-2-Diabetes beeinflussen

Zwei große internationale Studien mit Beteiligung des Helmholtz Zentrums München und des Deutschen Diabetes-Zentrums in Düsseldorf haben neue genetische Varianten gefunden, die einen Einfluss auf die Glukoseregulation im menschlichen Organismus haben und mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes assoziiert sind. Langfristig tragen diese Ergebnisse zu Prävention und Therapie des Typ-2-Diabetes bei. Beide Studien sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Gemeinsam mit ihren Kollegen im MAGIC-Verbund (Meta-Analyses of Glucose and Insulin-related traits Consortium) konnten Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München und des Deutschen Diabetes-Zentrums in Düsseldorf insgesamt sieben genetische Varianten ausfindig machen, die mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes assoziiert sind.

"Dank MAGIC kennen wir nun fast zwanzig neue Positionen genetischer Variation, die mit der Glukoseregulation assoziiert sind. Die meisten dieser Genvariationen führen wahrscheinlich zu einer eingeschränkten Betazellfunktion der Bauchspeicheldrüse und wirken nicht über verstärkte Insulinresistenz. Zudem beeinflussen diese Genvarianten spezifisch den Glukosestoffwechsel und haben fast keine weiteren Effekte auf andere Komponenten des sogenannten Metabolischen Syndroms wie Übergewicht, Blutdruck und Fettstoffwechselstörungen", erklären Dr. Christian Herder und Dr. Wolfgang Rathmann vom Deutschen Diabetes-Zentrum.

PD Dr. Thomas Illig vom Helmholtz Zentrum München ergänzt: "Auffällig ist, dass eine Variante im GIPR (Gastric Inhibitory Polypeptide Receptor)-Gen, das hier neu entdeckt wurde, eine Rolle beim Inkretin-Effekt spielt, der für die Aufrechterhaltung des Glukosestoffwechsels im gesunden Menschen wichtig ist. GIP gehört zu den im Darm freigesetzten Inkretinhormonen. Medikamente, die die Inkretinwirkung beeinflussen, werden bereits jetzt in der Behandlung des Typ-2-Diabetes eingesetzt. Durch die in den MAGIC-Studien identifizierten Gene werden sich neue Ansätze für die Therapie des Typ-2-Diabetes ergeben."

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Hintergrund

Das Helmholtz Zentrum München und das Deutsche Diabetes-Zentrum arbeiten intensiv an neuen Ansätzen in der Erforschung und Behandlung des Typ-2-Diabetes. Eine wichtige gemeinsame Datenquelle für die MAGIC-Studie ist die Bevölkerungsstudie KORA (KORA = Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg). Daten aus mehr als 20 Studien (sogenannte GWAS = genome-wide association studies) mit insgesamt über 46.000 Probanden gingen in die Metaanalyse ein. Insgesamt konnten etwa 2,5 Millionen Mutationen bzw. SNPs (single nucleotide polymorphisms, d.h. Variationen in nur einem DNA-Baustein) in die Metaanalyse einbezogen und auf Zusammenhänge mit glukoserelevanten Größen untersucht werden. Die wichtigsten SNPs wurden in der Folge bei über 76.000 anderen Probanden überprüft. Dabei verknüpften die Wissenschaftler Informationen über Nüchternblutglukosewert, Nüchternwert für Insulin, Betazellfunktion (Insulinproduktion) und Insulinresistenz mit den genetischen Variationen. Zusätzlich wurden Glukosewerte nach einem oralen Glukosetoleranztest in einer kleineren Studienpopulation untersucht.

Die Untersuchungen belegen einen bereits vermuteten Zusammenhang von Genvariationen, Betazellfunktion und Typ-2-Diabetes. Die Genprodukte sind größtenteils in der Bauchspeicheldrüse aktiv und beeinflussen unter anderem Signalweiterleitung ins Zellinnere, Zellvermehrung, Glukosemessung durch die Betazellen sowie die Regulation der Insulinproduktion im Tagesverlauf. Varianten an anderen Positionen erhöhen zwar den Nüchternblutzuckerwert, verursachen aber keinen Diabetes.

Weltweit leiden mehr als 220 Millionen Menschen an Diabetes, davon rund 90 Prozent an Typ-2-Diabetes - allein in Deutschland sind es mehr als sechs Millionen Menschen. Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer an bislang unerkannten Diabetikern. Einem manifesten Typ-2-Diabetes geht eine Insulinresistenz, also eine Unempfindlichkeit der Körperzellen gegenüber Insulin, sowie eine gestörte Funktion der insulinproduzierenden Betazellen voraus. Lebensstilfaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel spielen eine wichtige Rolle für die Entstehung der Erkrankung, aber auch genetische Faktoren sind relevant. So können genetische Variationen das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöhen. Die Daten der neuen Studien dienen dazu, neue Ansätze auch für die Prävention von Typ-2-Diabetes zu entwickeln und die Gesundheitsvorsorge zu verbessern.

Originalveröffentlichungen

  • Dupuis, J. et al: New genetic loci implicated in fasting glucose homeostasis and their impact on type 2 diabetes risk. Nature Genetics 2010 DOI:10.1038/ng.520.
  • Saxena, R. et al: Genetic variation in GIPR influences the glucose and insulin responses to an oral glucose challenge. Nature Genetics 2010 DOI:10.1038/ng.521.

zuletzt bearbeitet: 03.02.2010 nach oben

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