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Personalisierte Medizin

Abstract zum Vortrag von Universitäts-Professorin Dr. phil. Petra Wagner, Direktorin des Instituts für Gesundheitssport und Public Health, Leipzig, im Rahmen der 6. Herbsttagung der DDG.

Wie bringt man Menschen mit Diabetes in Bewegung?

Universitäts-Professorin Dr. phil. Petra Wagner Diabetes mellitus ist eine häufig vorkommende chronische Stoffwechselerkrankung von hoher sozialmedizinischer Bedeutung. Es gibt Hinweise auf eine weltweit zunehmende Verbreitung von Diabetes, insbesondere für den im Erwachsenenalter überwiegenden Typ-2-Diabetes. Die jüngste Studie zur Gesundheit in Deutschland des Robert-Koch-Instituts zeigt im Vergleich zum Gesundheitssurvey von 1998 eine signifikante Zunahme um zwei Prozent sowohl bei Männern als auch bei Frauen, selbst nach korrigierter Altersstrukturveränderung (Heidemann, Du & Scheidt-Nave, 2012).

Zu den Untergruppen mit besonders ausgeprägtem Anstieg in der Prävalenz gehören Männer ab 70 Jahren, Frauen unter 40 Jahren sowie Männer und Frauen mit Adipositas. Schaut man sich zusätzlich die Zahlen zur Entwicklung von Übergewicht und Adipositas des jüngsten Gesundheits-surveys an, dann ist als besorgniserregend festzustellen, dass die Gruppe der Adipösen, deren Anteil weiterhin zugenommen hat, insbesondere im jungen Erwachsenenalter liegt (Mensink, Schienkiewitz & Scheidt-Nave, 2012).

Als treibende Kraft der Diabetesepidemie wird die Insulinresistenz angesehen, die stark mit Umweltfaktoren wie Übergewicht und körperlicher Inaktivität assoziiert ist. Durch Ausdauertraining können hier positive Effekte erzielt werden und zusätzlich eine Verbesserung kardiovaskulärer Risikofaktoren (zum Beispiel Übergewicht, Hypertonie) erreicht werden. Der Effekt einer verbesserten Stoffwechseleinstellung hält aber nur wenige Tage an, wenn das Ausdauertraining beendet wird. Um dauerhaft einen positiven Effekt zu erreichen, ist die lebenslange Umstellung auf einen aktiven Lebensstil erforderlich. Dadurch kann das Risiko für die Manifestation eines Typ-2-Diabetes verringert werden. Dies gilt auch für Personen mit Übergewicht und positiver Familienanamnese.

Ein grundlegendes Problem besteht darin, dass die Mehrzahl aller Typ-2-Diabetiker älter als 60 Jahre ist, wegen erhöhter Morbidität und Risikofaktoren (zum Beispiel koronare Herz-erkrankung), Immobilität und fehlender Motivation nicht oder nur eingeschränkt an zielgruppenadäquaten Bewegungsprogrammen teilnehmen kann. Demgegenüber haben wir erfahren (siehe oben), dass der Typ-2-Diabetes insbesondere bei Frauen unter 40 Jahren oder bei Adipösen im jungen Erwachsenenalter zugenommen hat. Das bedeutet, dass hier Personen mit sehr unterschiedlichen Bedingungen zu einem aktiven Lebensstil zu bewegen sind, sowohl aus physischer (zum Beispiel alters- und geschlechtsspezifischer Situation), psychischer Perspektive (zum Beispiel Motivationslage) als auch aufgrund der Lebenssituationen (zum Beispiel Eingebundenheit in Familie und Beruf, Mobilität).

Schaut man sich die Daten zur körperlichen Aktivität im Gesundheitssurvey des letzten Jahres an (Krug, Jordan & Lampert), dann sind die bundesdeutschen Erwachsenen in den letzten zehn Jahren (Vergleich mit 1998) zwar etwas sportlich aktiver geworden und ein Drittel gibt an, auf ausreichende körperliche Aktivität im Alltag zu achten, doch erreichen noch immer vier Fünftel der Erwachsenen nicht die WHO-Empfehlungen von wöchentlich 2,5 Stunden.

Die Daten des Survey von 2012 zeigen außerdem, dass das Aktivitäts- und Sportniveau in jüngeren Altersgruppen tendenziell stärker ausgeprägt ist als in älteren Altersgruppen. An Maßnahmen zur Bewegungsförderung nahmen in den letzten 12 Monaten 9,4 Prozent der Männer und 19,5 Prozent der Frauen teil. Damit werden signifikant mehr Frauen als Männer mit solchen Angeboten angesprochen. Nimmt man dann noch zur Kenntnis, dass sowohl im präventiven als auch im rehabilitativen Bereich die Abbruchquoten bei mindestens 50 Prozent liegen (Wagner, 2007), dann wird deutlich, wie weit entfernt wir in Deutschland von einer gelingenden Lebensstiländerung hin zu mehr Bewegung und körperlicher Aktivität in der risikobelasteten erwachsenen Bevölkerung sind.

Das Ziel sollte daher weiter sein, zielgruppenspezifische verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen anzubieten und die Betroffenen bei der Umsetzung regelmäßiger körperlicher und sportlicher Aktivität zu unterstützen.

Einen entsprechenden konzeptionellen (theoretischen) Rahmen bietet das Transtheoretische Modell (TTM, Prochaska & DiClemente, 1992) der Verhaltensänderung, welches im Vortrag skizziert wird. Trotz offener Fragen hat das TTM im Bereich der Interventionsforschung zur Förderung körperlich-sportlicher Aktivität eine hohe Ausstrahlungskraft (Biddle & Mutrie, 2001; Lippke & Kalusche, 2007). Die hier vorgenommene Integration des Stadienmodells und des Strategiemodells gibt Auskunft darüber, in welchem Stadium welche Maßnahme begründet einzusetzen ist.

Für Menschen mit Diabetes kann eine solche zielgruppenspezifische verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahme beispielsweise im Rahmen der Versorgung über die Disease Management Programme (DMP) stattfinden. Eine Integration von Bewegungsprogrammen in diese DMPs stellt hier einen Weg dar, bisher inaktive Diabetiker an regelmäßige Aktivität heranzuführen. Evaluationsstudien, die hierzu in jüngster Vergangenheit durchgeführt wurden, kommen zu dem Ergebnis, dass es darüber gelingt, insbesondere jene zu erreichen, die es auch nötig haben (Eckert et al., 2012).

Die Teilnahme an den entsprechenden Bewegungsangeboten bringt den Untersuchungen zufolge eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität (Eckert, 2012), das heißt die Personen machen positive Erfahrungen, die sich entsprechend niederschlagen. Außerdem kann das Ausmaß der körperlichen Aktivität in Teilen bis zum Ende des Bewegungsprogramms gesteigert werden. Optimierungsbedarf ergibt sich insbesondere bezüglich der Nachhaltigkeit, das heißt, die Aufrechterhaltung des gesteigerten Ausmaßes an körperlicher Aktivität gilt es noch stärker im Rahmen der Maßnahmen zu berücksichtigen. Orientiert an theoretischen Überlegungen zur aktivitäts- und gesundheitsbezogenen Verhaltensänderung wird im Vortrag deshalb auf Potenziale bei der Unterstützung der volitionalen (willentlichen) Umsetzungskompetenz eingegangen und werden entsprechende volitionale Strategien thematisiert.

Auf der Basis der skizzierten Erkenntnisse wird im Vortrag abschließend noch auf das Problem der Passung und Patientenorientierung eingegangen.

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Bildunterschrift: Universitäts-Professorin Dr. phil. Petra Wagner
Bildquelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

zuletzt bearbeitet: 20.11.2012 nach oben

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