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Die Regulation der "Gefäßschutz-Peptide" durch Diäten

Pressemitteilung: BERLIN-CHEMIE AG

Welchen Einfluss hat die Ernährung auf natriuretische Peptide?

Priv.-Doz. Dr. med. Natalia Rudovich und Dr. med. Stephan Silbermann Bereits zum 14. Mal stiftet die BERLIN-CHEMIE AG den Menarini-Preis, mit dem herausragende diabetologische Forschungsarbeiten geehrt werden. Im Rahmen der DDG-Jahrestagung in Berlin wurde der mit 15.000 Euro dotierte Wissenschaftspreis an Priv.-Doz. Dr. med. Natalia Rudovich vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIFE) verliehen. Ihre aktuelle Forschung fokussiert die Auswirkungen der Nahrungszusammensetzung auf die Regulation von natriuretischen Peptiden (NPs). Rudovich hatte bereits im Vorfeld Zusammenhänge zwischen dem Insulinspiegel im Blut und der NP-Regulation festgestellt. Erniedrigte Spiegel dieser schützenden Peptidhormone stehen im Verdacht, das Langzeitrisiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erhöhen. Aus den Ergebnissen könnten wissenschaftlich fundierte Ernährungsempfehlungen für Risikopatienten abgeleitet werden.

"Natriuretische Peptide spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation der kardio-vaskulären Homöostase", erläutert Rudovich. "Zu ihren vielfältigen metabolischen Eigenschaften gehören auch die Regulation der Lipolyse, der Glukosespeicherung und der Insulinsekretion." Durch welche Mechanismen NPs den Glukosestoffwechsel regulieren, sei allerdings teilweise noch unklar. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass die NP-Spiegel bei Adipösen erniedrigt sind - dies könnte das Langzeitrisiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung erhöhen.

Dieser Zusammenhang ist für das atriale natriuretische Peptid (ANP) beim metabolischen Syndrom bereits beschrieben. "ANP hat multiple protektive Wirkungen: Es senkt den Blutdruck, fördert die Natriurese, entspannt die Gefäßmuskulatur, wirkt antiproliferativ und antiapoptotisch", berichtet die Preisträgerin. ANP sorge sozusagen dafür, dass das Gefäßsystem in einem guten Zustand bleibt, so Rudovich. Personen mit niedrigen ANP-Spiegeln hätten demnach ein hohes Risiko für die Entstehung einer arteriellen Hypertonie und kardiovaskulärer Erkrankungen. "Diese Beobachtung wurde bereits Ende der 1980er gemacht, aber damals hat man den Zusammenhang mit dem Insulinspiegel noch nicht festgestellt", sagt Rudovich.

Beschleunigen hohe postprandiale Insulinspiegel den ANP-Abbau?

Heute geht man davon aus, dass ein gemeinsamer kardio-metabolischer Stoffwechselweg existiert. Ebenso wie andere Fachkollegen hat Rudovich mit ihrer Arbeitsgruppe einen reziproken Zusammenhang zwischen Insulin- und NP-Spiegeln bei Übergewichtigen beobachtet. "Die physiologischen Wirkungen der NPs werden durch mehrere NP-Rezeptoren (NPRs) vermittelt, die unterschiedlich stark auf die einzelnen NPs ansprechen. Die molekularen Mechanismen, die für die Insulin-abhängige Regulation der NPRs im menschlichen Fettgewebe verantwortlich sind, müssen noch geklärt werden", erklärt Rudovich zum Hintergrund ihrer aktuellen Arbeit. Die Bildung von ANP finde überwiegend im rechten Herzvorhof statt.

Steigt die Volumenbelastung des Herzens, wie beispielsweise bei adipösen Patienten, müsse normalerweise mehr ANP freigesetzt werden, damit sich das Gefäßsystem an den steigenden Volumendruck anpassen kann. "Das passiert aber nicht", so Rudovich. "Wir vermuten, dass es nicht daran liegt, dass zu wenig ANP gebildet, sondern zu viel ANP abgebaut wird." Bereits 2012 stellte das Team um Rudovich fest, dass chronisch erhöhte Insulinspiegel die Produktion von ANP-Abbau-Rezeptoren anregen. "Bei einer kurzen Infusionszeit von vier Stunden haben wir festgestellt, dass die Abbau-Rezeptoren (NPRC-Rezeptoren) hochreguliert wurden. Wir vermuten daher, dass bereits hohe postprandiale Insulinspiegel zu einem beschleunigten bzw. übermäßigen Abbau von ANP führen können."

Nachdem Rudovich 2012 den zugrundeliegenden molekularen Ablauf dokumentieren konnte, soll nun die Bedeutung dieses Mechanismus in der Pathogenese der Hypertonie weiter untersucht werden, vor allem im Zusammenhang mit der nahrungsbedingten Insulinausschüttung. "2012 haben wir geprüft, was passiert, wenn man den Glykämischen Index (GI) mittels Acarbose über einen Zeitraum von drei Monaten senkt. Die postprandialen Insulinspiegel fielen, während die ANP-Spiegel stiegen. Das Körpergewicht veränderte sich nicht", erläutert Rudovich. Aus diesen Beobachtungen entstand die Hypothese, dass mittels Diäten mit entsprechendem GI ähnliche Wirkungen erzielt werden könnten. Auch eine Variation des Proteingehalts, der ebenfalls die Insulinausschüttung stimuliert, sollte einen entsprechenden Effekt auslösen.

Plasma-Proben aus der Diogenes-Studie

"Wir sind sehr dankbar, dass uns Plasma-Proben aus der europäischen Diogenes (Diet, Obesity and Genes)-Studie zur Verfügung gestellt wurden. Das Design dieser Studie ist ideal für unsere Forschungsarbeit, denn wir können nun untersuchen, ob sich auftretende Veränderungen der NP-Spiegel auf die jeweilige Diät zurückführen lassen", berichtet Rudovich. "Damit hoffen wir die Frage zu beantworten, ob die insulinabhängige Regulation der NPRC-Rezeptoren entscheidend für das zirkulierende ANP ist. Wir werden zunächst beobachten, wie sich die ANP-Spiegel durch die Gewichtsabnahme verändern - theoretisch müssten sie steigen." Im Anschluss könne beurteilt werden, ob die Diäten mit einem niedrigen GI dazu führen, dass dieser hohe ANP-Spiegel erhalten bleibt oder sogar noch steigt.

Weitere Untersuchungen zur Genexpression der NPR-Gene im subkutanen Fettgewebe und zur Regulation der NPR-Expression in menschlichen Adipozyten durch Insulin und ANP stehen noch aus. "Die Ergebnisse dieser Analysen werden ein Licht auf die Frage werfen, wie eine Gewichtsabnahme bzw. unterschiedlich zusammengesetzte Diäten die Insulinkonzentration verändern und somit Auswirkungen auf das menschliche NP-System haben."

Priv.-Doz. Dr. med. Natalia Rudovich ist Fachärztin für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie. Sie absolvierte ihr Medizinstudium an der I.P. Pavlov's Medizinischen Universität St. Petersburg und erhielt dort eine klinische Ordinatur für Endokrinologie. Im Anschluss war sie zunächst Assistenzärztin an der Universitätsklinik Bochum und wechselte im November 2000 zu Prof. Dr. A.F.H. Pfeiffer an die Charité-Universitätsmedizin Berlin.

Seit Juni 2001 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Pfeiffer am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIFE), Potsdam-Rehbrücke. 2011 habilitierte sie im Fach Innere Medizin zur "Bedeutung der gastro-intestinalen Hormone in der metabolischen Dysfunktion bei der Adipositas und adipositas-assoziierten Erkrankungen". Rudovich erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den "Dieter-Klaus-Förderpreis für die Hochdruckforschung 2008".

Quellen

Preisverleihung im Rahmen der 49. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), 29. Mai 2014, Berlin

Literatur:

  • Pivovarova O, Bernigau W, Bobbert T, Isken F, Möhlig M, Spranger J, Weickert  MO, Osterhoff M, Pfeiffer AF, Rudovich N. Hepatic Insulin Clearance Is Closely Related to Metabolic Syndrome Components. Diabetes Care 2013; 36(11): 3779-85.
  • Pivovarova O, Gögebakan Ö, Klöting N, Sparwasser A, Weickert MO, Haddad I, Nikiforova VJ, Bergmann A, Kruse M, Seltmann AC, Blüher M, Pfeiffer AF, Rudovich N. Insulin up-regulates natriuretic peptide clearance receptor expression in the subcutaneous fat depot in obese subjects: a missing link between CVD risk and obesity? J Clin Endocrinol Metab 2012; 97(5): E731-9.
  • Rudovich, N., Pivovarova, O., Traberth, A., Sparwasser, A., Weickert, M.O., Bernigau, W., Birkenfeld, A.L., Arafat, A.M., Bergmann, A., Pfeiffer, A.F., Acarbose treatment enhances mid-regional pro-atrial natriuretic peptide concentrations in non-diabetic individuals: further evidence for a common cardiometabolic pathway? Diabetologia. 2012 55(12):3392-5.

Bildunterschrift: Priv.-Doz. Dr. med. Natalia Rudovich, Menarini-Preisträgerin 2014, Dr. med. Stephan Silbermann, BERLIN-CHEMIE AG.
Bildquelle: BERLIN-CHEMIE AG
Foto: Dirk Deckbar

zuletzt bearbeitet: 27.06.2014 nach oben

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