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Ansätze zur Heilung des Typ-1-Diabetes

Abstract zum Vortrag von Professor Dr. med. Stefan R. Bornstein, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der TU Dresden, im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich des Diabetes Kongresses 2014, 49. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), am 29. Mai 2014 in Berlin.

Dresdner Diabetesforscher setzten 2013 weltweit zum ersten Mal erfolgreich ein künstliches Pankreassystem ein

Professor Dr. med. Stefan R. Bornstein 2008 entstand in Dresden das bundesweit zurzeit einzige aktive Programm zur Inseltransplantation. Neue Dresdner Forschungsergebnisse zur Transplantation der insulinproduzierenden Zellen geben nun Hoffnung, der Heilung der Zuckerstoffwechselstörung, ein paar Schritte näher gekommen zu sein: Dresdner Diabetesforscher setzten 2013 weltweit zum ersten Mal erfolgreich ein künstliches Pankreassystem zur Behandlung eines Patienten mit Typ-1-Diabetes ein. Dazu implantierten sie einem Patienten einen Bio-Reaktor mit menschlichen Inselzellen, die dort rund ein Jahr zuverlässig Insulin produzierten. Das Forscherteam publizierte die Ergebnisse der erfolgreichen Therapie in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (Transplantation of human islets without immunosuppression. doi: 10.1073/pnas.1317561110. Epub 2013 Oct 28).

Wirkungsweise des Bio-Reaktors
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Die Besonderheit der neuartigen Therapie: Das künstliche Pankreassystem - entwickelt von einem israelischen Unternehmen - macht anders als bei sonstigen Organ- und Gewebetransplantationen die Immunsuppression überflüssig. Denn es schützt die Spenderzellen vor Angriffen des Immunsystems, lässt jedoch umgekehrt das Insulin in den Körper gelangen. Das 'Ei des Kolumbus' ist dabei die kontrollierte Sauerstoffversorgung der Zellen, die dadurch aktiv bleiben. Das neue System könnte die Diabetestherapie zukünftig revolutionieren. Allerdings bedarf es weiterer Studien, bevor eine größere Zahl an Patienten von dieser Therapie profitieren kann.

Für den Medizin-Nobelpreisträger Prof. Andrew V. Schally von der Miller School of Medicine der University of Miami, der im Forschungsverbund mit den Dresdnern steht, hat dieser Erfolg "historische Bedeutung". Denn für Menschen mit Typ-1-Diabetes, die trotz medikamentöser Therapie an lebensbedrohlichen Schwankungen ihres Zuckerhaushalts leiden, stellen die Pankreas-Organ- sowie die Inselzell-Transplantation derzeit die einzigen Möglichkeiten dar, um die insulinproduzierenden Beta-Zellen zu ersetzen. Beide Optionen bringen eine deutlich verbesserte Diabetes-Kontrolle und Lebensqualität für die Betroffenen. Doch die dauerhafte Einnahme von Immunsuppressiva macht anfällig für Infektionen oder andere mögliche Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Krebsrisiko. Darum kam die Behandlung bislang nur für Menschen in Betracht, die ganz spezielle medizinische Kriterien erfüllen.

Ein weiterer Meilenstein bei der Erforschung neuer Diabetestherapien gelang 2013 mit der Reimplantation körpereigener Inselzellen bei einem Unfallopfer. Ein Arbeitsunfall hatte die Bauchspeicheldrüse des damals 43-jährigen Opfers so schwer verletzt, dass sie entfernt werden musste. Dresdner Mediziner retteten die insulinproduzierenden Zellen aus dem verletzten Organ, bereiteten sie auf und spritzten sie dem Patienten zurück in die Leber. Damit haben die Mediziner das nur am Dresdner Uniklinikum vorhandene Know-how erstmals für eine Eigenspende von Inselzellen bei einer verletzten Bauchspeicheldrüse genutzt. Immunsuppressiva muss der Patient keine einnehmen, da er seine eigenen Zellen transplantiert bekam.

Wenn Spender und Empfänger dieselbe Person ist - wie im Fall des Unfallopfers -, sprechen Experten von einer autologen Transplantation. Sind es verschiedene Personen, handelt es sich um eine allogene Transplantation. Bei einer weiteren Form, der sogenannten Xenotransplantation, gehören Empfänger und Spender nicht derselben Art an. Diese Form der Transplantation gibt es bislang beim Menschen als Empfänger noch nicht, aber es könnte eine Option für die Zukunft sein: So könnten in den Bio-Reaktor zukünftig sogar insulinproduzierende Zellen vom Schwein eingesetzt werden, ohne vom menschlichen Organismus abgestoßen zu werden. Die Vorteile: Die Empfänger von Spenderzellen müssten nicht mehr lebenslang Immunsuppressiva nehmen und könnte man das Problem der fehlenden Spenderorgane umgehen, könnten viel mehr Menschen mit Diabetes als bisher von einer Inselzelltransplantation profitieren".

Ein weiterer Fokus liegt auf der Erforschung des Mikrobioms. Bereits 2012 entdeckten Forscher, dass es einen Zusammenhang zwischen Darmbakterien, Fettleibigkeit und Diabetes gibt. Die menschliche Darmflora ist jedoch unterschiedlich zusammengesetzt. Menschen, die an Fettleibigkeit und Diabetes leiden, weisen häufig einen bestimmten Besiedlungs-Typ auf, der sich von der Darmflora schlanker Menschen unterscheidet. Der jeweilige Besiedlungs-Typ entscheidet über die Nahrungsverwertung im Organismus. Hier knüpft die Forschung an. Hat die Zusammensetzung der Darmflora Einfluss darauf, ob ein Mensch an einer Stoffwechselstörung erkrankt oder nicht? Und was passiert mit der Darmflora, wenn der Körper durch einen sogenannten Roux-en-Y-Bypass zum Abnehmen gezwungen wird?

Die Dresdner untersuchten Menschen, die sich einer Magen-Bypass-Operation unterzogen hatten, an Diabetes Typ 2 litten und einen BMI von mehr als 40 aufwiesen, also stark fettleibig waren. Die Darmflora der meisten Patienten gehörte vor der Operation dem Besiedlungs-Typ an, der Stoffwechselstörungen wie Diabetes und Fettleibigkeit begünstigt.

Drei Monate nach der Operation zeigte sich Erstaunliches: Die Darmflora der Menschen mit Magen-Bypass hatte sich verändert und zeigte jetzt einen neuen Besiedlungs-Typ. Die Veränderung der bakteriellen Flora ist durch eine Reduzierung bestimmter Keime gekennzeichnet, während die Anzahl anderer Keime ansteigt. Aus dieser neuen Zusammensetzung resultiert eine deutliche Verbesserung der metabolischen Parameter. Die verstärkt hinzugekommen Darmkeime der Probanden können möglicherweise Impulsgeber für neue Krankheiten sein. Langfristiges Ziel ist jedoch, therapeutische Ansätze für eine Darmflora zu entwickeln, die den menschlichen Körper unterstützt, gesund zu bleiben.

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Bildunterschriften: Professor Dr. med. Stefan R. Bornstein
Bildquelle: Stiftung "Der herzkranke Diabetiker" (DHD)
Grafik: Die Wirkungsweise des Bio-Reaktors - Eine kontrollierte Sauerstoffversorgung sorgt dafür, dass die Inselzellen im Bio-Reaktor aktiv bleiben.
Bildquelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus (UKD)

zuletzt bearbeitet: 01.07.2014 nach oben

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