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Diabetes-Prävention über den Darm?
Tagung zum Darm-Mikrobiom bringt internationale Experten verschiedener Disziplinen nach Hannover
Die rund 100 Billionen Mikroorganismen in unserem Verdauungstrakt haben starken Einfluss auf das Immun- und Nervensystem. Diesem Zusammenspiel sind Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen auf der Spur, darunter etwa Entzündungsspezialisten, Experten für mikrobielle Kommunikation, Fachleute für evolutionäre Spieltheorie oder auch Diabetesforscher. Auf der interdisziplinären Herrenhäuser Konferenz "Beyond the Intestinal Microbiome" vom 8. bis 10. Oktober kommen über 200 internationale Experten zusammen, um Erkenntnisse und Perspektiven zum Einfluss des Mikrobioms auf unsere Gesundheit zu diskutieren.
Um die Verbindungen zwischen dem Mikrobiom, also der Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Mikroorganismen, und unserem Organismus zu verstehen, betreiben ganz unterschiedliche Forschungsfelder enormen Aufwand. Denn zu wissen, wie etwa die Darmflora den Menschen physisch und auch psychisch beeinflusst, birgt enormes Potenzial: Die Prävention beispielsweise von Diabetes oder rheumatischen Erkrankungen ließe sich deutlich effektiver gestalten. Andererseits kann durch neue Erkenntnisse auch die Pharmaindustrie beginnen, alternative Behandlungsstrategien, etwa gegen Autoimmunerkrankungen oder Fettleibigkeit, zu entwickeln. Auf der Herrenhäuser Konferenz suchen Wissenschaftler Antworten auf die aktuell drängenden Fragen rund um das intestinale Mikrobiom, tauschen das Wissen über die Funktion und das therapeutische Potenzial der Intestinalflora aus und diskutieren neue Wege für die Forschung. Zu den Referenten zählen international anerkannte Experten verschiedener Disziplinen, zum Beispiel:
Charles R. MacKay, Monash University: Der Wissenschaftler vertritt die Theorie, dass Diäten in westlichen Ländern im Zusammenspiel mit dem Mikrobiom Entzündungserkrankungen deutlich befördern - diese Wirkmechanismen sind jedoch größtenteils noch ungeklärt. Als mögliche Begründung führt MacKay an, dass sich Bewohner westlicher Länder ballaststoffärmer ernähren. Im Mausmodell konnte er nachweisen, dass ballaststoffarme Kost die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm merkbar beeinflusst und zu höheren Zahlen bei Entzündungserkrankungen, Darmkrebs, Diabetes, Asthma und Wundheilungsstörungen führt - wohingegen ballaststoffreiche Kost das Gegenteil bewirkt. Wie lässt sich dieses Wissen zukünftig nutzen? MacKays Vortrag heißt "Diet, Gut Microbiota, and Western Lifestyle Diseases".
Max Nieuwdorp, AMC Amsterdam: Veränderung bei der Zusammensetzung der intestinalen Mikroorganismen gehen häufig einher mit Fettleibigkeit und Insulinresistenz. In diesem Kontext hat der Forscher in verschiedenen Experimenten die Effekte untersucht, wenn spezielle Mikroorganismen aus dem Darm von gesunden, schlanken Spendern erkrankten, übergewichtigen Patienten zugeführt werden. Die Ergebnisse: eine verbesserte Zusammensetzung des Mikrobioms, ein verbesserter Glucose-Stoffwechsel und weniger Leberverfettung. Somit stellten bestimmte Mikroorganismen mögliche therapeutische Ansatzpunkte dar. Nieuwdorp spricht zum Thema "Mining for Novel Therapeutic Bacterial Strains Against Human Disease Using Fecal Transplantation"
Arne Traulsen, Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie: Traulsen, der theoretischer Physiker ist, beschäftigt sich mit evolutionärer Spieltheorie. Dieser mathematische Ansatz ermöglicht generelle Aussagen über die Stabilität von Gemeinschaften und eignet sich besonders, um das Zusammenspiel von Wettbewerb und Kooperation zu analysieren und die Entstehung von Vielgestaltigkeit zu erklären. Auch über das intestinale Mikrobiom lassen sich durch die Kombination einfacher Modelle und experimenteller Daten Aussagen treffen. Um vom individuellen Mikrobiom auf Basis mathematischer Modelle Rückschlüsse auf den Menschen ziehen zu können, sind ein andersartiger Blick auf die Daten sowie in manchen Fällen weitere Laborexperimente notwendig. Traulsens Vortragstitel lautet "Games Between Microbes with Rules Set by the Host?"
Lothar Steidler, ActoGeniX: Der Molekularbiologe hat die TopAct-Technologie entwickelt, mit der sich genetisch modifizierte Mikroorganismen einsetzen lassen, um Proteine zur Therapie an bestimmten Stellen aktiv freizusetzen. Seiner Ansicht nach besteht derzeit jedoch ein zu großes Defizit darin, Forschungsergebnisse über das Mikrobiom in medizinische Anwendungen zu übersetzen. Er referiert über "Genetically Modified Lactococcus Lactis for Precision Intervention in the GI Tract".
Detaillierte Informationen zu allen weiteren Programmpunkten finden Sie unter http://www.volkswagenstiftung.de/microbiome.