Das unabhängige Diabetes-Portal DiabSite

Home > Aktuelles > Diabetes-Nachrichten > Archive > 2015 > 150602

diabetesDE warnt anlässlich des G7-Gipfels

Soziale Benachteiligung wird in Deutschland zunehmend zum Diabetesrisiko

Immer mehr Menschen in Deutschland sind von Armut bedroht. Damit einher geht eine Verschlechterung ihrer Lebenschancen und Gesundheit: Das Diabetesrisiko steigt, und Menschen in der niedrigsten Einkommensgruppe leben zwischen acht bis zehn Jahre kürzer als Menschen der höchsten Einkommensgruppe. Darüber hinaus haben Bewohner benachteiligter Regionen ein um zwanzig Prozent erhöhtes Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Darauf machte diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe heute auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des G7-Gipfels aufmerksam. In einem Appell an Bundeskanzlerin Merkel, Gesundheitsminister Gröhe und Finanzminister Schäuble fordert die gemeinnützige Organisation Maßnahmen zur Verringerung gesundheitlicher Chancenungleichheiten sowie effektive Strategien der Primärprävention und eine Nationale Diabetesstrategie, um die Auswirkungen zunehmender gesundheitlicher Ungleichheit zu verringern. "Armut und Gesundheit stehen im Zusammenhang, hier muss angesetzt und gehandelt werden", erklärte die SPD-Bundestagsabgeordnete Helga Kühn-Mengel.

Wie der aktuelle OECD-Sozialbericht belegt, besitzen die reichsten zehn Prozent der Deutschen 60 Prozent der Nettohaushaltsvermögen. Gleichzeitig ist die Armut auf Rekordniveau gestiegen. Dem neuen Armutsbericht zufolge waren 2013 12,5 Millionen Menschen in Deutschland von Armut betroffen - so viel wie nie zuvor. "Zu dieser Gruppe zählt nahezu jedes fünfte Kind, über 40 Prozent der Alleinerziehenden und fast 60 Prozent der Erwerbslosen", erläutert Professor Dr. med. Thomas Danne, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Zugleich verschärfen sich die regionalen Unterschiede, was die Ausprägung der sozialen Benachteiligung betrifft. Überproportionale Zuwächse an Armut zeigen sich im Ruhrgebiet, in Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Als neue Problemregion zeichnet sich der Großraum Köln/Düsseldorf ab. Insgesamt hat die Armut in 13 von 16 Bundesländern zugenommen.

"Damit verteilt sich auch das Krankheitsrisiko in Deutschland auf ungleiche Weise", betont Danne. Denn zwischen sozialer und gesundheitlicher Lage besteht ein enger Zusammenhang. Menschen aus benachteiligten Regionen sind kränker und leben kürzer. "Unter anderem steigt ihr Risiko für Diabetes Typ 2 um zwanzig, für Fettleibigkeit um dreißig Prozent", berichtet Danne. Auf Deutschland bezogen bedeutet dies: Während das bessergestellte Hamburg Blankenese eine Diabeteshäufigkeit von 4,3 Prozent aufweist, bringt es das strukturschwache Bad Belzig in Brandenburg auf 13,5 Prozent. Benachteiligte Regionen sind gekennzeichnet durch Faktoren wie niedriges Einkommen, Arbeitslosigkeit und unattraktive Lebens- und Freizeitbedingungen.

Auch bei Kindern aus benachteiligten Regionen resultiert das erhöhte Erkrankungsrisiko unter anderem aus einem ungünstigen Ernährungsverhalten. "Während sich Kinder von Eltern mit hoher Schulbildung und hohem Haushaltseinkommen häufiger nach einem gesunden Ernährungsmuster ernähren, essen Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen eher nach einem 'süßen Schema', das viel verarbeitete und hochkalorische Lebensmittel einschließt", erläutert Danne. Bei Erwachsenen lässt bereits der dauerhafte Konsum von einem süßen Softdrink pro Tag das Risiko für Typ-2-Diabetes um zwanzig Prozent steigen. Kinder und Jugendliche, die von Armut betroffen sind, treiben außerdem seltener Sport und sind etwa doppelt so häufig übergewichtig wie Gleichaltrige höherer Statusgruppen. "Schon heute gibt es in Deutschland sechs Millionen Menschen, die an Diabetes Typ 2 leiden. 400 Millionen sind es weltweit. Wenn die Nationen auf diesen Diabetes-Tsunami nicht mit wirkungsvollen Präventionsstrategien reagieren, werden nach Schätzungen der Internationalen Diabetes-Föderation (IDF) bis zum Jahr 2035 600 Millionen Menschen von Diabetes betroffen sein", berichtet Danne.

Die hohen Kosten im Gesundheitswesen durch die Zunahme der chronischen Krankheiten stellen in allen G7-Ländern zunehmend auch eine wachsende Bedrohung für die wirtschaftliche Prosperität dar. Dabei lassen sich nach Schätzungen der IDF allein 70 Prozent der Diabetesfälle vermeiden oder hinauszögern. Vor diesem Hintergrund fordert die gemeinnützige Organisation diabetesDE - Deutsche Diabetes Hilfe anlässlich des G7 Gipfels Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Finanzminister Wolfgang Schäuble auf, die Empfehlungen von WHO und Vereinten Nationen für einen primärpräventiven "Health-in-all-Policies"-Ansatz ernst zu nehmen und die empfohlenen primärpräventiven Maßnahmen umzusetzen.

diabetesDE - Deutsche Diabetes Hilfe unterstützt vier Kernforderungen für eine wirksame Primärprävention: für jeden Schüler an jeder Schule mindestens eine Stunde Bewegung/Sport pro Tag, verpflichtende Qualitätskriterien für die Schulernährung, ein Marketingverbot für an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel sowie eine Zucker-Fett-Steuer bei gleichzeitiger Steuersenkung für empfehlenswerte Lebensmittel.

Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Helga Kühn-Mengel befürwortet lebensnahe Präventionsmaßnahmen: "Die unteren sozialen Schichten erreichen wir nicht mit Broschüren, Flyern und Vorträgen, sondern nur da - das gilt für die Erwachsenen und für die Kinder gleichermaßen - wo sie leben, arbeiten, gemeinsam lernen und spielen: im Setting, in der Lebenswelt", erklärt die Gesundheitspolitikerin.

Die Implementierung einer auch vom Bundesrat 2014 geforderten Nationalen Diabetesstrategie leistet ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden Optimierung der Prävention und Versorgung in allen Regionen Deutschlands. "Wer heute gesundheitliche Chancengleichheit herstellen will, muss nicht nur den Zugang zu Bildung, sondern auch zu Gesundheit verbessern", betont Danne.

zuletzt bearbeitet: 02.06.2015 nach oben

Unterstützer der DiabSite:

Birgit Ruben

Birgit Ruben

Weitere Angebote:

Spendenaufruf Ukraine

Hilfeaufruf Ukraine

Diabetes-Portal DiabSite startet Spendenaufruf für Menschen in der Ukraine.