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Für Familien bedeutet Diabetes eine erhebliche Umstellung

Experteninterview: Abbott Diabetes Care

Diabetes-Experte informiert im Interview

Prof. Dr. med. Thomas Danne Die Diagnose Typ-1-Diabetes trifft jedes Jahr rund 3.200 bis 3.700 Kinder unter 19 Jahren. Danach ist nichts mehr wie vorher. Zum anfänglichen Schock mischt sich bei den Eltern meist Wut, Überforderung und Verzweiflung. Es fällt schwer zu akzeptieren, dass nächtliches Wecken zur Blutzuckerkontrolle, Insulinspritzen sowie vielfaches Fingerpieksen die Freiheit des eigenen Kindes für immer einschränken werden. Prof. Dr. med. Thomas Danne, Chefarzt für Diabetologie, Endokrinologie und Allgemeine Pädiatrie am Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT in Hannover und Vorstandsvorsitzender von diabetesDE, informiert im Interview über Diabetes im Kindheits- und Jugendalter sowie über die Nutzung des FreeStyle Libre Messsystems von Abbott Diabetes Care bei Kindern mit Diabetes.

Experteninterview mit Prof. Dr. med. Thomas Danne

Herr Professor Danne, wie erkenne ich, ob mein Kind an Diabetes erkrankt ist? Auf welche Anzeichen muss ich achten?
Anzeichen können großer Durst, Gewichtsabnahme und bei einigen Kindern eine vertiefte Atmung sein. Bei kleinen Kindern kann es zunächst wie eine Lungenentzündung aussehen oder bei großen Kindern wie eine Magersucht. Obwohl Diabetes die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindesalter ist, kann die Krankheit zunächst übersehen werden.
Was ist besonders am Diabetes bei Kindern?
Die Krankheit betrifft nicht nur das einzelne Kind, sondern immer die ganze Familie. Zum Beispiel auch die Eltern, die Großeltern, die Lehrer in der Schule, das Kindergartenpersonal oder auch die Trainer im Sportverein.
Wie erkläre ich Diabetes meinem Kind?
Wir haben dafür spezielle Schulungsprogramme entwickelt, die altersentsprechend darauf eingehen und die kognitiven Möglichkeiten der Kinder berücksichtigen. Kleine Kinder haben meist noch keine Vorstellung von Zukunft und Krankheit. Hier ist es wichtig, zu vermitteln, dass keiner an der Erkrankung Schuld hat und auch die Eltern nichts falsch gemacht haben. Den Kindern wird erklärt, dass sie ab jetzt Insulin spritzen und Blutzucker messen müssen, damit es ihnen gut geht. Bei Schulkindern kann man ausführlicher auf Einzelheiten eingehen, aber auch in dieser Altersklasse existiert kaum ein Konzept von Zukunft, weshalb Themen wie Folgeerkrankungen ausgelassen werden. Bei Jugendlichen muss man, angepasst an den Entwicklungsstand und ähnlich wie bei Erwachsenen, alle Themen ansprechen, wobei es besonders wichtig ist, eine optimistische Weltsicht zu erhalten.
Was bedeutet die Diagnose Diabetes für die Eltern betroffener Kinder?
Viele Eltern haben zunächst Schuldgefühle. Das muss man versuchen zu relativieren und Eltern, die selber erkrankt sind, erklären, dass Diabetes keine reine Erbkrankheit ist, sondern unter anderem Umweltfaktoren und bislang unklare Ernährungsfaktoren, eine Rolle spielen können. Auch Viruserkrankungen stehen in diesem Kontext immer wieder unter Verdacht. Bei 9 von 10 Kindern hat kein anderer Familienangehöriger Diabetes. Für die Familien bedeutet die Erkrankung eine erhebliche Umstellung, weil sie mit dem Zeitpunkt der Diagnose ein chronisch krankes Kind haben. Für die Eltern, zumeist die Mutter, bedeutet das berufliche und für die gesamte Familie häufig finanzielle Einschränkungen. Ein erkranktes Kind hat einen viel höheren Betreuungsaufwand und insofern ändert sich ab diesem Moment die gesamte Zukunftsplanung der Familie.
Ab wann kann ein Kind selber den Blutzucker messen?
Wenn man von dem mechanischen Vorgang ausgeht, d. h. sich selber zu pieksen oder den Messstreifen mit dem Blutstropfen in Verbindung zu bringen, können dies teilweise schon Vorschulkinder. Die Interpretation von Blutzuckerwerten lernen die Kinder bei uns in dem speziellen Schulungsprogramm 'Fit für die Schule', also zur Einschulung. Auch wenn das Zahlenverständnis noch nicht vollständig ausgeprägt ist, werden sie darauf trainiert, zu erkennen, ob sie einen hohen oder nicht so hohen Wert haben. Sie sollen lernen, ab welchem Wert sie ihre Eltern oder einen Erwachsenen verständigen müssen, um eine Entscheidung über das weitere Vorgehen zu treffen.
Was ist die Herausforderung bei der Blutzuckerkontrolle bei Kindern? Kann FreeStyle Libre hier eine Hilfe darstellen?
Ja, denn ein Kind mit Diabetes bekommt im Jahr mindestens 1.440 Spritzen - zumindest, wenn es eine Spritzentherapie erhält. Dies bedeutet, dass man nahezu vor jeder Insulingabe mindestens einen Blutzuckerwert benötigt und auch oft einen zwischendurch, um eventuelle Korrekturen vorzunehmen oder um zu sehen, ob die Insulinmenge richtig gewesen ist. Das sind jedoch nur punktuelle Messungen, die keinen Hinweis darauf geben, ob der Blutzucker gerade ansteigt, abfällt oder stabil ist - da kann FreeStyle Libre eine Hilfe darstellen. Ich glaube, der wichtigste Faktor ist bei den Eltern zu sehen, denn viele haben große Angst vor Stoffwechselschwankungen und insbesondere Unterzuckerungen in der Nacht. Eltern können nun sehr leicht - ohne, dass sie das Kind verletzen müssen - mit dem FreeStyle Libre den Glukosewert erfassen, ohne dass das Kind aufwacht.
Welche Vorteile bietet FreeStyle Libre Ihnen als Arzt bei der Behandlung von Kindern?
Es liegt keine punktuelle Messung mehr vor, sondern ich erhalte durch die Speicherung der kontinuierlichen Daten eine ganz neue Darstellung, gerade der Verläufe nach dem Essen oder in der Nacht. Das sind Informationen, die ich durch punktuelle Messungen bislang nicht habe. Das Ambulante Glukose Profil erlaubt mir eine wesentlich detaillierte Beurteilung der Zuckerverläufe. Eine Insulintherapie kann, wenn der Patient es regelmäßig anwendet und scannt, wahrscheinlich besser angepasst werden.
Wird das System von Krankenkassen erstattet?
Einige gesetzliche Krankenkassen übernehmen bereits die Kosten bei Erwachsenen. Ich gehe davon aus, dass, wenn Auswertungen und wissenschaftliche Studien den Nutzen nachweisen und die Patienten im Alltag, wie erwartet, gut damit klarkommen, die Krankenkassen dann erkennen werden, dass durch das Gerät entsprechende Kosten bei der Blutzuckermessung eingespart werden können.

Bildunterschrift: Prof. Dr. med. Thomas Danne
Bildquelle: Abbott Diabetes Care

zuletzt bearbeitet: 18.03.2016 nach oben

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