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Dem Nachwuchsmangel in der Diabetologie entgegenwirken

Fehlende Lehrstühle und zu wenig Diabeteswissen im Medizinstudium gefährden langfristig die Patientenversorgung

Professor Dr. med. Baptist Gallwitz Immer mehr Menschen in Deutschland erkranken an Diabetes. Der Bedarf an Diabetesexperten steigt, aber es droht ein Behandlungsengpass. Ein Grund ist, dass es immer weniger klinische Lehrstühle für Diabetologie/Endokrinologie gibt. Zudem sind diabetologische Inhalte im Medizinstudium unterrepräsentiert. Sie reichen nach Ansicht der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) nicht aus, um eine Versorgung von Menschen mit Diabetes auf neuestem wissenschaftlichen Stand zu garantieren. Wie eine erfolgreiche Nachwuchsförderung aussehen könnte und welche Rolle die Politik hier spielen muss, erläutern Experten auf einer Pressekonferenz am 28. Juni 2018 in Berlin.

Immer mehr Menschen in Deutschland erkranken an Diabetes, bald wird die sieben Millionengrenze erreicht sein. Damit steigt der Bedarf an gut ausgebildeten Diabetologen - auch um die gravierenden Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Durchblutungsstörungen oder Erblinden möglichst zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern. Da immer mehr erfahrene Diabetologen in den nächsten Jahren die Altersgrenze erreichen und in den Ruhestand gehen werden, droht bereits in naher Zukunft eine massive Versorgungslücke. "Wenn wir jetzt nicht umgehend aktiv werden und die Ausbildung von Diabetologen massiv fördern, können bald nicht mehr alle Diabetespatienten angemessen versorgt werden", sagt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der DDG. Allerdings gibt es strukturelle Hürden, die überwunden werden müssen, um diese Entwicklung zu stoppen. "Die Diabetologie ist im Medizinstudium beziehungsweise in der ärztlichen Ausbildung nicht ausreichend verankert", kritisiert Gallwitz, der als stellvertretender Direktor an der Medizinischen Klinik IV am Universitätsklinikum Tübingen tätig ist.

Zudem sinkt die Zahl klinischer Lehrstühle für Diabetologie und Stoffwechsel an den deutschen Universitäten. Weil "sprechende Medizin" weniger rentabel ist, wird sie abgewickelt. Das Fach ist nur noch an acht der insgesamt 33 Medizinischen Fakultäten vertreten. "Es ist richtig, dass die angewandte Diabetologie sich weitgehend in den ambulanten Bereich verlagert hat. Aber ohne Experten, die an den Universitätskliniken Diabetologie lehren, wird es auch immer weniger junge Ärzte geben, die sich für eine Karriere in der Diabetologie entscheiden", so Gallwitz.

Wo Defizite in der Medizinerausbildung liegen, zeigt eine aktuell von der DDG und dem Bundesverband Niedergelassener Diabetologen durchgeführten Umfrage unter rund 270 Nachwuchsmedizinern und Dozenten. Auf die Fragen, ob das Studium gut darauf vorbereitet, Diabetespatienten zu erkennen, antworteten 68 Prozent mit Ja, bei den Lernenden im Praktischen Jahr (PJ) waren es 77 Prozent und bei den Dozenten nur 47 Prozent. Dass sie aber Diabetespatienten auch gut behandeln könnten, davon waren nur etwa die Hälfte der Studenten und der PJ-ler und 42 Prozent der Dozenten überzeugt. Und nicht einmal die Hälfte aller Befragten bezeichnete das Lehrangebot zur Diabetologie als ausreichend. Nach Ansicht von DDG und DGE ist das Wissen zu Diabetes im Studium unterrepräsentiert. "Unser Ziel muss sein, den diabetologischen Nachwuchs bereits früh, etwa in Blockpraktika, Famulaturen und dem Praktischen Jahr für das Fach Diabetologie und die 'sprechende Medizin' insgesamt zu begeistern. Die interdisziplinären und interprofessionellen Aspekte der Diabetologie helfen, wichtige ärztliche Handlungskompetenzen zu vermitteln", betont Gallwitz.

Beide Fachgesellschaften fordern eine stärkere Verankerung der Diabetologie als Querschnittsfach und setzen sich dafür ein, dass ihre Fächer im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) und im "Masterplan Medizinstudium 2020" besser abgebildet werden.

Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) sieht auch die Politik in der Pflicht: "Die Bundesländer und der Bund sind gefordert: Die Zahl der Lehrstühle für Diabetologie und Endokrinologie muss wieder steigen." Zudem sichere die Hochschulmedizin den medizinischen Fortschritt, ergänzt Weber.

Über die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)

Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, "endokrin" ausgeschüttet, das heißt nach "innen" in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben "exokrine" Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach "außen" ab.

Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit über 9.000 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.

Quellen

  • Diabetoloie 2025. 10 strategische Handlungsfelder. Hrsg.: Deutsche Diabetes Gesellschaft. 2016.

  • Die Ergebnisse der Umfrage bei den Fakultäten werden in Kürze in "Diabetologie und Stoffwechsel" publiziert.

Bildunterschrift: Professor Dr. med. Baptist Gallwitz
Bildquelle: Diabetes-Portal DiabSite

zuletzt bearbeitet: 20.06.2018 nach oben

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