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Kinder und Jugendliche mit Diabetes

Expertenstatement von Professor Dr. med. Andreas Neu, Vizepräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Oberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen, im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) am 18. Juni 2019 in Berlin.

Welche Rolle spielt die stationäre Versorgung?

Professor Dr. med. Andreas Neu Im internationalen Vergleich kommt der stationären Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes in Deutschland eine größere Bedeutung zu. Kinder mit Diabetes werden häufiger stationär aufgenommen als Kinder ohne Diabetes. Auch wenn die stationäre Versorgung für alle Beteiligten meist aufwendiger und kostenintensiver ist als eine ausschließlich ambulante Behandlung, ist sie ein wichtiger Bestandteil der Langzeitbetreuung von Heranwachsenden.

Bei Erkrankungsbeginn, also bei Manifestation eines Diabetes mellitus, werden Kinder und Jugendliche in Deutschland fast ausschließlich stationär versorgt. Die Liegedauer beträgt bei diesem ersten Aufenthalt etwa zwölf Tage. Dieser Aufenthalt ist von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf des Lebens mit Diabetes. Eine intensive Schulung im Umgang mit Diabetes für Eltern und Kind, die auch praktische Übungen einschließt (Blutzuckermessung, Insulininjektion, Abschätzen der Nahrungs- und Kohlenhydratmenge), ist grundlegend für ein souveränes und erfolgreiches Krankheitsmanagement im Alltag. Eine derart intensive Auseinandersetzung mit der Erkrankung, die auch Nachtphasen miteinschließt (nächtliches Unterzuckermanagement), ist ambulant in der Regel nicht machbar. Ein solcher Aufenthalt dient unter anderem langfristig der Vermeidung von Akutkomplikationen und Folgeerkrankungen.

Die ohnehin schon geringe Zahl von Aufnahmen bei Akutkomplikationen war in den letzten Jahren leicht rückläufig. Dies hängt auch mit der zunehmend verbesserten Stoffwechseleinstellung und intensiveren Schulung (bei Manifestation) zusammen. Moderne Insulinstrategien, Insulinpumpenbehandlung und die Möglichkeit einer kontinuierlichen Glukosemessung können außerdem helfen, solche Akutkomplikationen frühzeitig zu erkennen, sodass eine stationäre Aufnahme wegen akuter Komplikationen meist vermieden werden kann.

Insulinpumpeneinstellungen bei Kindern und Jugendlichen werden wegen des hohen Schulungsbedarfs und der Notwendigkeit einer umfassenden Anleitung in den meisten Fällen ebenfalls stationär vorgenommen. Die Zunahme der pumpenbehandelten Heranwachsenden in den letzten zehn Jahren macht einen erheblichen Anteil der stationären Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes aus. Gleichzeitig tragen diese Behandlungsformen aber auch dazu bei, schwere Unterzuckerungen (Hypoglykämien) und gravierende Stoffwechselentgleisungen (Ketoazidosen) zu vermeiden, und sind somit prophylaktisch im Hinblick auf spätere Notfallsituationen, die stationär behandelt werden müssten.

Die Möglichkeit einer stationären Intervention bei drohender Stoffwechselentgleisung (HbA1c-Anstieg über neun Prozent) wird von vielen Einrichtungen angeboten, um während eines stationären Aufenthalts die metabolische Situation zu rekompensieren und gleichzeitig Schulungsmaßnahmen sowie die psychosoziale Betreuung zu intensivieren. Dies ist im stationären Setting wesentlich einfacher, meist wirksamer und somit effektiver, als größere Komplikationen im Rahmen der regulären ambulanten Langzeitbetreuung aufzufangen. Die allermeisten Schwerpunkteinrichtungen verfügen über die Möglichkeit einer ambulanten und stationären Behandlung im selben Haus, was eine sektorenübergreifende Versorgung der Betroffenen ermöglicht. Eine solche stationäre Aufnahme bietet darüber hinaus für kurze Zeit die Möglichkeit einer Entlastung für Patienten und deren Familien und ist somit eine wichtige Zäsur bei Komplikationen oder einer möglichen Überforderung durch die chronische Erkrankung, welche die Kinder und Jugendlichen mit Diabetes in ihrer Lebensqualität und ihrem Alltag einschränkt.

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Bildunterschrift: Professor Dr. med. Andreas Neu
Bildquelle: Diabetes-Portal DiabSite

zuletzt bearbeitet: 18.07.2019 nach oben

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