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Mit Diabetes im normalen Kindergarten
Die Geschichte einer erfolgreichen Integration
Ich bin Erzieherin und berichte Ihnen heute von meinen positiven Erfahrungen mit der erfolgreichen Integration eines Kindes mit Diabetes Typ 1 in unseren Kindergarten. Mit zwei weiteren Kollegen betreue ich in der Tageseinrichtung 26 Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren. Nur in Ausnahmefällen werden in unserer "Regeleinrichtung" Kinder mit Behinderungen aufgenommen. Dafür gibt es integrative Einrichtungen mit kleineren Gruppen, einem höheren Personalschlüssel und besseren Therapiemöglichkeiten.
Vor drei Jahren baten Eltern um die Aufnahme ihres an Typ-1-Diabetes erkrankten Sohnes, weil ein älteres Geschwisterkind schon in unserer Gruppe war. Von der positiven Ausstrahlung der Eltern angetan, stimmten wir ohne Zögern zu. Zwar hatte ich Erfahrungen mit der Betreuung eines Kindes mit einer anderen Behinderung, doch Diabetes kannte ich nur als Typ-2-Diabetes aus dem Familienkreis. Was mich in den folgenden Jahren erwarten würde, war mir am Anfang noch nicht klar. Trotzdem stand für meine Kollegen und mich fest, dass wir die Herausforderung annehmen würden.
Aufgeschrieben habe ich meine Erfahrungen, um Eltern zu ermutigen, aber auch all' jene Erzieher, die vor der Entscheidung stehen, ein Kind mit Typ-1-Diabetes zu betreuen.
Wir haben - nennen wir ihn hier mal "Jens" - mit 3 Jahren in unsere Gruppe aufgenommen. Der überaus lebendige und aufgeweckte Junge hatte bereits seit eineinhalb Jahren Typ-1-Diabetes, war von Beginn an Pumpenträger und nahm alle Therapiemaßnahmen relativ gelassen hin. Seine Eltern haben uns von Anfang an größtes Vertrauen geschenkt und jegliche Unterstützung gegeben, ohne die eine so erfolgreiche Betreuung nie möglich gewesen wäre. Neben einer ausführlichen Einweisung in die Therapie ihres Sohnes gaben sie uns eine Fülle von Informationsmaterial in die Hand. Außerdem erhielten wir eine Diabetes-Schulung für Betreuer.
Es gab natürlich noch Fragen, aber vor allem auch Ängste, dem Kind unnötige Schmerzen beim Blutzuckermessen zuzufügen oder gar falsche Therapiemaßnahmen einzuleiten. Diese Bedenken wurden uns durch das uneingeschränkte Vertrauen und die geduldige, eingehende Unterstützung von Seiten der Eltern und des Diabetes-Teams gänzlich genommen. So durften wir insgesamt nur positive Erfahrungen machen.
Die Familie gab uns die Zeit, die wir brauchten, um Schritt für Schritt selbständig die Therapie von Jens übernehmen zu können. Für unsere Fragen und Nöte war sie stets erreichbar und hatte immer ein offenes Ohr. So haben wir uns nie überfordert gefühlt.
In der 6-monatigen Eingewöhnungsphase wurde Jens von einem Familienmitglied in den Kindergarten begleitet. Er wurde in die Gruppe integriert und fasste Vertrauen in uns Erzieher. Schon nach zwei bis drei Wochen zog sich die Begleitperson aus dem Gruppengeschehen zurück und wurde nur noch bei Bedarf hinzugezogen.
Das Blutzuckermessen, das nur wenige Handgriffe erfordert, wurde schon nach ein paar Tagen für uns zur Routine. Auch die richtige Reaktion auf einen Unterzucker, sprich die Gabe von schnellen BE's, war kein Problem. Die Handhabung der Insulinpumpe erforderte eine gewisse Übung. Ihre grundsätzliche Bedienung erlernten wir jedoch schnell.
Auf einem vorgefertigten Behandlungsplan notierten wir Blutzuckerwerte und Therapiemaßnahmen. Eine Kopie davon diente uns als Nachschlagewerk und bedeutete eine zusätzliche Sicherheit für Therapieentscheidungen. Mit der Zeit entwickelten wir eine gewisse Sensibilität im Hinblick auf die physische Verfassung von Jens und unterstützten ihn bei der Eigenwahrnehmung von Unter- oder Überzuckerungen. So konnte er sich bald selbst rechtzeitig mitteilen.
Hilfreich im Sinne der Integration war eine kindgerechte Diabetes-Schulung der ganzen Gruppe. Die Kinder lernten anhand eines Bilderbuches die Krankheit und die notwendigen Therapiemaßnahmen spielerisch kennen. Die anderen Kinder akzeptierten Jens schnell und entwickelten sogar Verständnis für die - manchmal auch außerhalb der regulären Essenszeiten - notwendige Nahrungsaufnahme.
Ab dem zweiten Halbjahr kam Jens ohne ein Familienmitglied in unseren Kindergarten. Er fühlte sich in der Gruppe wohl und hatte seine Therapie vertrauensvoll in unsere Hände gelegt. Für uns Erzieherinnen war es allerdings beruhigend, dass die Familie im Bedarfsfall jederzeit zu erreichen war.
Später dehnten wir die Abstände der Blutzuckermessungen von stündlich auf alle eineinhalb Stunden aus. Das trug zur Normalisierung des Kindergartenalltags bei. Die steigende Sicherheit im Umgang mit dem Diabetes machte uns neugierig auf die Feinheiten der Insulinpumpenbedienung. Wir wollten weitere Kniffe lernen, um Jens mehr Bewegungsfreiheit und Flexibilität zu ermöglichen.
Im Alter von circa fünf Jahren konnte Jens seinen Blutzucker selbst messen. Nur bei der Deutung der Werte und der Insulingabe brauchte er noch Unterstützung. Heute kann er sich unter Aufsicht sogar schon die benötigte Menge Insulin selbst verabreichen und benötigt, bis er alle Zahlen nicht nur lesen, sondern auch in Bezug zur Insulintherapie setzen kann, nur noch begleitende Unterstützung.
Jens geht offen mit seinem Diabetes um und kann bei Unwohlsein auch Personen ansprechen, die nicht mit seiner Therapie vertraut sind. Im Sommer verlässt er uns und besucht eine normale Schule. Ich wünsche ihm, dass er auch dort rasch Freunde findet und die bestmögliche Unterstützung erhält, bis er seine Therapie vollkommen selbständig übernehmen kann.
; zuletzt bearbeitet: 28.04.2011
Bildunterschrift: Kinder
Bildquelle: Diabetes-Portal DiabSite. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den abgebildeten Kindern und der Geschichte.
Herzlichen Dank für die Geschichte und die freundliche Publikationsgenehmigung!