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Schweinegrippe - Ist jetzt Panik oder eher Vorsicht angesagt?

Das Diabetes-Portal DiabSite im Gespräch mit Prof. Dr. Drs. h.c. Jörg Hinrich Hacker

Professor Dr. Drs. h.c. Jörg Hinrich Hacker Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin, Prof. Hacker (57) ist Biologe und beschäftigt sich v.a. mit der Mikrobiologie. Die Erforschung von kleinsten Krankheitserregern, ihre Veränderungsmöglichkeiten und Studien zu Wechselwirkungen zwischen pathogenen Mikroorganismen und Wirtszellen stehen im Mittelpunkt seiner Arbeit. Im Rahmen einer Pressekonferenz informierte Prof. Hacker am 3. Mai 2009 über den aktuellen Stand zur Influenza A (H1N1), auch "Schweinegrippe", "Neue Grippe" oder nach dem möglichen Herkunftsland "Mexiko-Grippe" genannt.
Für Diabetes-Radio, den Podcast der DiabSite, informierte der RKI-Präsident im Exklusiv-Interview über die aktuelle Pandemie-Gefahr und Hygienemaßnahmen, die vor allem Menschen mit Diabetes einhalten sollten.
Das Original-Interview steht im DiabSite Diabetes-Radio zum Anhören bereit.

Die Schweinegrippe beherrscht seit einer Woche die Schlagzeilen. Nach den bisher sechs Erkrankungsfällen in Deutschland bestätigte das Robert-Koch-Institut heute zwei neue Fälle in Frankfurt/Oder. Das Ehepaar war am 27.April von einer Mexiko-Reise zurückgekehrt, und saß im selben Flugzeug wie ein Erkrankungsfall aus Hamburg.

Politik, Gesundheitsämter, Kliniken und Apotheken bereiten sich auf den Epidemiefall vor. Ist jetzt Panik angesagt oder eher Vorsicht? Wie schätzt das nationale Referenzzentrum am RKI die aktuelle Situation zur Neuen Grippe ein? Darüber spreche ich heute, am 03. Mai 2009, mit Professor Jörg Hinrich Hacker, Präsident des Robert-Koch-Instituts in Berlin, den ich hiermit herzlich begrüße.

DiabSite:
Herr Prof. Hacker, was können Sie zum jetzigen Zeitpunkt, wir haben heute den 3. Mai 2009 vormittags, über den internationalen Stand zur Neuen Grippe, auch Schweinegrippe oder Mexiko-Grippe genannt, sagen, und zur internationalen Situation?
Hacker:
International ist es so, dass wir nach wie vor steigende Zahlen haben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilt mit, das wir weltweit aktuell gut 600 Fälle haben. Auch in Europa sind die Zahlen zunehmend. Außerdem ist Italien als neuntes Land mit einer Erkrankung dazugekommen. Damit haben wir in Europa ungefähr 50 Fälle der neuen Grippe A (H1N1). Das hört sich, nicht viel an, aber es ist ein Virus, das Potential hat. Insofern sind wir nach wie vor besorgt, wenn wir diese Zahlen hören.
DiabSite:
Würden Sie sagen, dass es leichter zu Ansteckungen mit diesem Virus als mit denen der Grippe, die wir im Winter haben, kommen kann?
Hacker:
Was wir momentan wissen: Es sieht von der Ansteckungsfähigkeit aus wie bei der sogenannten saisonalen Grippe, die eben jedes Jahr stattfindet. Das Interessante dabei ist allerdings, dass das neue Virus sich augenscheinlich aus tierischen Viren gespeist hat. Das kann man nachvollziehen, wenn man sich das Erbgut anschaut. Denn hier können sehr viele Teile des Erbguts nachgewiesen werden, die man von Viren von Schweinen und Vögeln her kennt. Insofern ist das eine neue Situation. Dieses Virus hat sich sozusagen an den Menschen angepasst - Es hat sich "humanisiert". Und das zeigt, dass es sehr wandlungsfähig ist.
DiabSite:
Wie hoch würden Sie die Gefahr einer Epidemie für Deutschland einschätzen?
Hacker:
Ich kann das schlecht in Zahlen angeben. Momentan haben wir zunehmend positive Fälle - aber auf einem noch relativ geringen Niveau. Man darf jetzt aber keine Entwarnung geben, denn man muss wissen, dass das Virus sich auch weiter und schneller ausbreiten könnte. Die Situation in Deutschland ist momentan so, dass wir versuchen, lokale Herde einzugrenzen. Das ist die Strategie, die bisher auch erfolgreich ist.
DiabSite:
Nun haben wir, wenn ich das richtig sehe, mehrere Erkrankte in Bayern, einen Fall in Hamburg, und - seit heute bestätigt - zwei neue Fälle in Brandenburg. Wissen Sie schon wie es bei dem Ehepaar zur Ansteckung kam?
Hacker:
Sie sind auch aus Mexiko gekommen, zusammen mit einer Person aus Hamburg, die bereits positiv befundet wurde. Den Menschen geht es den Umständen entsprechend gut, wie wir das auch schon bei den anderen Patienten kennen gelernt haben.
DiabSite:
Nichtsdestotrotz geben Sie noch keine Entwarnung. Welche vorbeugenden Maßnahmen empfehlen Sie zu diesem Zeitpunkt für jeden in Deutschland?
Hacker:
Auf jeden Fall sollte man die bekannten Hygieneregeln einhalten: Eine möglichst gute Handhygiene ist wichtig. Außerdem sollte die Übertragung durch Tröpfchen von einer Person auf die andere möglichst unterbunden werden - also möglichst nicht andere anniesen oder anhusten bzw. anniesen und anhusten lassen. Wenn Symptome auftreten, möglichst schnell den Arzt aufsuchen und dem ärztlichen Rat folgen. Nicht empfehlenswert ist die prophylaktische Einnahme antiviraler Mittel ohne ärztliche Aufsicht, weil hier die Dosierung sehr wichtig ist.
DiabSite:
Sie halten das Händewaschen für besonders wichtig. Reicht es, sich die Hände einfach mit Wasser und Seife zu waschen?
Hacker:
Die Hände intensiv mit Seife zu waschen ist gut - Eine halbe Minute ist optimal. Das sollte man immer wenn es nötig ist, sicherlich mehrfach am Tag, tun.
DiabSite:
Könnte die Neue Grippe bei chronisch Kranken schlimmer verlaufen? Empfehlen Sie z. B. Diabetikern spezielle Vorbeugungsmaßnahmen?
Hacker:
Chronisch Kranke stellen in Bezug auf Infektionskrankheiten eine besondere Risikogruppe dar. Das trifft auch auf diese Grippe zu. Deshalb empfehlen wir bei chronischen Erkrankungen auch die Impfung gegen saisonale Grippe. Ansonsten sollten Sie besonders sorgfältig die Hygieneregeln einhalten und auch ihren Gesundheitszustand sorgfältig beobachten. Bei Veränderungen, die vielleicht in Richtung einer Grippeerkrankung gehen, sollte schnell ein Arzt aufgesucht werden.
DiabSite:
Sie sprachen gerade die Grippeschutzimpfung an, die sie allen chronisch Kranken und damit auch Diabetikern, immer wieder empfehlen. Wenn Menschen mit Diabetes diesem Rat des Robert-Koch-Instituts bisher nicht gefolgt sind, sollten sie sich jetzt noch impfen lassen?
Hacker:
Also eine Grippeschutzimpfung schadet nie. Wir wissen allerdings noch nicht, ob die Grippeschutzimpfung, die für die saisonale Grippe, verabreicht wird, auch gegen dieses neue Virus schützt.
DiabSite:
Nun gehen ja manche Diabetiker regelmäßig zu den Treffen von Selbsthilfegruppen. Können sie dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch tun, obwohl das RKI u.a. rät, Menschenansammlungen zu vermeiden?
Hacker:
Wir haben im Moment keine Hinweise, dass es sich um ein großes Geschehen in Deutschland handelt. Insofern würde ich sagen, die Selbsthilfegruppen können momentan weiter zusammenkommen. Allerdings sollten die Hygieneregeln dabei ganz besonders beachtet werden. Und bei Erkältungssymptomen sollte man auf keinen Fall zu den Treffen gehen. Ansonsten die Regeln, die ich eben gesagt hatte, beherzigen, das ist sehr wichtig.
DiabSite:
Bei welchen Symptomen sollten Diabetiker vielleicht früher als andere zum Arzt gehen?
Hacker:
Die Symptome sind bekannt: Zu Beginn sind das oft Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit und Appetitlosigkeit. Dann kommt ein trockener Husten und eine besonders plötzliche Temperaturerhöhung auf über 38 Grad hinzu. Es ist empfehlenswert, auch schon bei ersten Anzeichen, den Arzt aufsuchen.
DiabSite:
Kann bei Diabetikern eine schlechte Blutzuckereinstellung das Infektionsrisiko erhöhen?
Hacker:
Eine sehr gute Einstellung ist immer besser als eine schlechte Einstellung. Und das Immunsystem spielt hier natürlich eine wichtige Rolle. Die körpereigenen Abwehrkräfte sind bei einer optimalen Diabetes-Einstellung besonders gut wirksam.
DiabSite:
Sehen Sie besondere Komplikationen, wenn ein Diabetiker an der Neuen Grippe erkrankt?
Hacker:
Eine zusätzliche Grunderkrankung ist immer ein Problem bei Infektionen. Deshalb sollten sich gerade Diabetiker frühzeitig beraten lassen, das heißt frühzeitig den Arzt aufsuchen und dann den ärztlichen Rat konsequent umsetzen.
DiabSite:
Herr Prof. Hacker, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Bildunterschrift: Prof. Dr. Drs. h.c. Jörg Hinrich Hacker
Bildquelle: Diabetes-Portal DiabSite

Autor: hu; zuletzt bearbeitet: 05.05.2009 nach oben

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