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Macht Glyx uns glücklich?

aus: Accu-Chek Diabetes Live, Ausgabe 2, Juni 2004, Seite 6-7

Glyx-Formeln, Glyx-Diäten, "Low carb" oder "LOGI-Methode" sowie entsprechende Kochbücher beherrschen zurzeit die Auslagen in den Buchhandlungen. Zudem gibt es schon die ersten Hamburger, die statt in einem Brötchen nur noch in einem Salatblatt umwickelt verkauft werden. Die neue Botschaft aus den USA lautet: "Low carb or no carb" (wenig oder keine Kohlenhydrate) - dafür viel Eiweiß und das richtige Fett. Hinter diesem Paradigmenwechsel steckt das Konzept des glykämischen Index.

Diskutiert wird der glykämische Index und dessen Bedeutung bereits seit den 80er Jahren und doch hat er sich bis heute nicht durchsetzen können. Der glykämische Index gibt die Blutzuckerwirksamkeit an - also wie schnell und wie hoch der Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln ansteigt - und ist somit auch ein Maß für die Insulinausschüttung. Dabei wird die Blutzuckerwirksamkeit bestimmter Nahrungsmittel jeweils mit der Blutzuckerwirksamkeit von Traubenzucker oder Haushaltszucker verglichen (1 BE Traubenzucker = 100%). Folglich bedeutet ein niedriger GI, dass der Zucker langsam in den Blutkreislauf gelangt und den Blutzuckerspiegel dementsprechend nur moderat ansteigen lässt. Unabhängig davon: Sie verzehren bei einer Mahlzeit selten Lebensmittel isoliert (z. B. nur Kartoffeln).

Glykämischer Index (GI)

Der glykämische Index gibt die blutzuckererhöhende Wirkung von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln im Vergleich zur gleichen Menge reinen Zuckers (Glukose) in Prozent an. Dabei wird die blutzuckererhöhende Wirkung von Glukose gleich 100 % gesetzt (GI = 100). Weißmehlprodukte haben i.d.R. einen höheren, die meisten anderen kohlenhydrathaltigen Lebensmittel einen niedrigeren GI als Glukose.
Deshalb die Empfehlung der DGE für Diabetiker: Bevorzugen Sie Vollwertprodukte.

GI-Angaben variieren!

Lebensmittel können zwar die gleiche Kohlenhydratmenge aufweisen, in ihrem GI aber sehr variieren: die Geschwindigkeit und Höhe des Blutzuckeranstiegs können sehr unterschiedlich sein. Der GI eines einzelnen Lebensmittels wird von vielen weiteren Faktoren, wie z. B. vom Fett- oder Ballaststoffgehalt der Speise, beeinflusst. Auch individuelle Schwankungen beeinflussen die Blutzuckerwirksamkeit (s. Kasten 2).

GI-Angaben in Tabellenwerken bieten daher lediglich eine Orientierung - sie sind aber nicht einheitlich und können zur Berechnung der Kohlenhydratmenge bei Diabetikern nicht eingesetzt werden - wohl aber zur Bewertung der Kohlenhydratquelle. Die ungenauen Angaben bzw. das Fehlen von hier üblich verzehrten Lebensmitteln in diesen Tabelle<nwerken sprechen gegen eine alltagstaugliche Anwendung von GI-Tabellen.

Einflussfaktoren auf den GI:

  • Zusammensetzung der Speisen
    - Ballaststoffe, Fette und Eiweiße können die Kohlenhydrataufnahme im Körper verzögern
    - GI ist geringer z. B. bei einer warmen Mahlzeit bestehend aus Fleisch, Gemüse und kohlenhydrathaltigen Beilagen
  • Bestimmte Pflanzeninhaltsstoffe
    (pflanzliche Fette, Lektine, Phytate, Tannine) beeinflussen die Kohlenhydrataufnahme und somit den GI
  • Art der Kohlenhydrate (Einfach-, Zweifach- oder Mehrfachzucker)
  • Verarbeitung und/oder Zubereitung der Lebensmittel
    - der GI von Säften oder zerkleinertem Obst/Gemüse ist höher als aus unzerkleinertem
  • Erhitzte Lebensmittel haben einen höheren GI als unerhitzte
    - Stärke von gekochtem Lebensmittel hat einen höheren GI
  • Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme
    - bei gleicher Kohlenhydratmenge tritt morgens ein höherer Anstieg des Blutzuckers ein als mittags oder abends.
  • Geschwindigkeit der Magenentleerung
    (z. B. flüssige Kohlenhydrate)
  • Geschlecht einer Person

GI wichtig für Diabetiker?

Der Nutzen des GI für Diabetiker (Typ 1 und Typ 2) im Alltag ist weitgehend belegt: Wird der GI einer Kost durch eine bewusste Lebensmittelauswahl um 20 Prozent gesenkt, verbessert sich die langfristige Blutzuckereinstellung von Diabetikern um 10 Prozent.
Diabetiker werden daher weiterhin mit Broteinheiten (s. Diabetes Live 1/2004) rechnen, wobei der GI von Lebensmitteln bei der Berechnung der BE mit einbezogen werden sollte. Lebensmittel mit einem hohen GI benötigen i.d.R. mehr Normalinsulin/Insulinanaloga pro BE, so dass Lebensmittel mit niedrigem GI wie z. B. Hafer, Vollkornnudeln, Reis (parboiled) und Obst bevorzugt verzehrt werden sollten.

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Lebensmittel mit hohem GI bei Hypos

Geeignete 'Hypohelfer': Orangensaft, Traubenzucker und Gummibärchen haben einen hohen glykämischen Index und heben schnell den Blutzucker an. Und dieses Wissen ist Ihnen insbesondere dann nützlich, wenn Sie z. B. in eine Hypoglykämie kommen. Kohlenhydrate mit einem langsamen Blutzuckeranstieg (z. B. Schokolade, Kekse, Kuchen) wären in solchen Situationen denkbar ungeeignet. Dann sollten Sie Kohlenhydrate mit einer schnellen Blutzuckerwirkung, wie Fruchtsäfte oder Traubenzucker, einsetzen.
Traubenzucker und auch Fruchtsäfte werden sehr schnell vom Körper aufgenommen und sind dementsprechend sehr schnelle "Hypohelfer". Schokolade ist auf Grund des hohen Fettgehaltes und die somit verbundene verzögerte Blutzuckerwirksamkeit der enthaltenen Kohlenhydrate als Hypohelfer eher ungeeignet.

Auf den Punkt gebracht

Welche Rolle der GI auf ernährungsmitbedingte Erkrankungen (Übergewicht, Diabetes, Krebs, Herzerkrankungen) spielt, ist noch nicht genau geklärt. Dass er bereits Eingang in viele Ernährungsempfehlungen gefunden hat, erleben wir derzeit - insbesondere im Bereich der Diäten.
In einer aktuellen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) heißt es dazu, dass "... es derzeit wissenschaftlich nicht begründet ist, das Konzept des GI in bestehende Ernährungsempfehlungen für die deutsche Bevölkerung zu integrieren und dass beispielsweise vom Verzehr von Kartoffeln oder bestimmten Getreideprodukten mit hohem GI ... abzuraten ist." Es gilt weiterhin: Die Hauptenergieaufnahme sollte über die Kohlenhydrate gedeckt werden - nur eben unter Berücksichtigung des GI.

  • 10-20 % Eiweiß
  • 25-35 % Fett
  • 45-60 % Kohlenhydrate aus Lebensmitteln mit hohem Ballaststoffanteil und niedrigem glykämischen Index

Worauf sollten Sie achten?

Sie sehen, das ganze Thema um den glykämischen Index wird sehr kontrovers diskutiert. Um den praktischen Nutzen des GI zu erhöhen, wird versucht, die aufgenommene Kohlenhydratmenge eines Lebensmittels mit der Art der Kohlenhydrate (GI) ins Verhältnis zu setzen. Dies wird als "glykämische Last" bezeichnet. Der Sinn: Es soll erreicht werden, dass der durch das Essen ausgelöste Insulinbedarf besser eingeschätzt werden kann - praktikabler, ohne dass man sich auch hier mit Tabellenwerken umgeben muss, ist das Ganze dadurch jedoch nicht.

Vollwertig und abwechslungsreich

Vollwertig, gesund und mit günstigem GI. Die Devise heißt auch weiterhin: Ernähren Sie sich vollwertig und abwechslungsreich. Das bedeutet:

Somit lässt sich der GI der Kost bereits um einiges reduzieren. Das Konzept kennen Sie aus der mediterranen Küche oder vollwertigen Ernährung. Vorteil: es lässt sich einfach in die Praxis umsetzen.

Wie kann der GI im Alltag angewendet werden?

  • Bereiten Sie eine Testmahlzeit zu, z. B. 2 BE Kartoffelbrei, 2 BE Linsen.
  • Messen Sie den Blutzucker nach 60, 120 und 180 Minuten.
  • Wichtig ist noch die Information, wie viel Kurzzeitinsulin pro BE benötigt wird, um den Blutzucker im Normbereich zu halten.

Accu-Chek Diabetes Live-Redaktion

Quellen

Text- und Bildquelle: Roche Diagnostics GmbH

zuletzt bearbeitet: 13.08.2004 nach oben

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