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Von Herzinfarkt und Straßenstaub

20 Jahre Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA)

Luftverschmutzung treibt unter Umständen die Herzinfarktrate in die Höhe. Dies ist eines der Aufsehen erregenden Ergebnisse aus der KORA-Studie, in deren Rahmen Wissenschaftler seit 1984 den Gesundheitszustand und die Lebensumstände von Augsburger Bürgern unter die Lupe nehmen.

Ursprünglich eine Studie mit dem Ziel, Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu ermitteln, bezieht KORA inzwischen zahlreiche zusätzliche Faktoren ein, um die Ursachen weiterer wichtiger chronischer Krankheiten aufzuspüren. Mittlerweile nahmen gut 20.000 Männer und Frauen an den Untersuchungen teil - die umfangreiche KORA-Datensammlung stellt damit eine wahre Goldgrube für Wissenschaftler dar und macht Augsburg in der Gesundheitsforschung zu einer weltbekannten Stadt.

KORA wird geleitet von Wissenschaftlern des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit, das im Rahmen einer Festveranstaltung am 26. Januar 2005 in Augsburg auf 20 Jahre erfolgreiche Gesundheitsforschung zurückblickt. Sprecher von KORA ist Prof. Dr. Dr. H.-Erich Wichmann, Direktor des GSF-Instituts für Epidemiologie. Aber nicht nur die GSF, sondern auch viele Forschungsinstitute in Kliniken, Universitäten und anderen Einrichtungen sind an KORA beteiligt, das seit 2004 ein eigenes Untersuchungszentrum direkt am Augsburger Hauptbahnhof besitzt.

Neben Herzinfarkt und weiteren Herz-Kreislauf Erkrankungen befasst sich KORA heute vor allem mit Diabetes, Allergien und Krebs. Als Risikofaktoren für diese Krankheiten werden außer Einflüssen des Lebensstils auch Umweltbelastungen und genetische Faktoren ins Visier genommen. Aber auch die Folgen der Krankheiten in der Gesundheitsversorgung und die damit verbundenen Kosten werden untersucht, und zwar durch das GSF-Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, das von Prof. Dr. Reiner Leidl geleitet wird und das die Infrastruktur der KORA-Forschungsplattform mit betreibt.

Den Beginn der Gesundheitsforschung im Raum Augsburg markiert das MONICA-Projekt (Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular Disease), eine ursprünglich auf 10 Jahre konzipierte WHO-Studie, an der 26 Länder aus vier Kontinenten teilnahmen. Thema der Studie waren Risikofaktoren für und Folgen von Herz-Kreislauf-Krankheiten - damals wie heute Todesursache Nummer eins in der westlichen Welt. Da die Bevölkerungsstruktur von Augsburg ein gutes Spiegelbild der demographischen und sozialen Struktur der Bundesrepublik ist, entstand hier eines der vier deutschen MONICA-Zentren, geleitet von einer Arbeitsgruppe des jetzigen GSF-Instituts für Epidemiologie. Seit Beginn der MONICA-Studie wird jeder Herzinfarkt-Patient in einem Herzinfarkt-Register erfasst. Zusätzlich werden alle fünf Jahre etwa 4.000 - 5.000 zufällig ausgewählte Augsburger in Risikofaktorstudien ausführlich untersucht und befragt.

Als MONICA nach zehn Jahren auslief, hätte das Aus für diese umfangreiche Datensammlung einen herben Verlust für die Wissenschaft bedeutet. Daher entschloss sich die GSF, die Arbeiten fortzuführen. 1996 entstand mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsministeriums das Konzept der Kooperativen Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA). Die MONICA-Daten bilden quasi das Rückgrat und erlauben bis heute eine systematische und konsequente Langzeitforschung. "Ein Riesenglück für die Wissenschaft", schwärmt Dr. Hannelore Löwel, die als Teamleiterin des Herzinfarktregisters von Anfang an dabei war.

Neben der gesundheitlichen Untersuchung geben die Teilnehmer an den Risikofaktorstudien Auskunft über Lebensgewohnheiten wie Alkohol, Rauchen, Übergewicht, sportliche Betätigung, Bildung sowie über eventuelle Erkrankungen. Über Befragungen oder Zweituntersuchungen wird die gesundheitliche Entwicklung der Studienteilnehmer weiter verfolgt.

In Blutproben bestimmen die Wissenschaftler relevante Parameter wie z. B. Cholesterin. Diese Blutproben sind besonders wertvoll, denn die tiefgefrorenen und archivierten Proben erlauben einen Blick in die Vergangenheit und lassen im Vergleich mit jüngeren Proben bei denselben oder neuen Patienten Entwicklungen erkennen. So kann man in diesen Proben zum Zeitpunkt der Entnahme noch unbekannte Faktoren nachträglich bestimmen, z. B. den für das Infarktgeschehen wichtigen Entzündungs-Marker C-reaktives Protein.

20 Jahre MONICA/KORA heißt in erster Linie wissenschaftliche Kleinarbeit, doch es gab auch schon spektakuläre Erfolge: Dass Patienten mit Typ-2-Diabetes überproportional stark vom Herzinfarkt bedroht sind, ist eines der wichtigsten KORA-Ergebnisse. Zudem zeigte sich, dass Diabetes in Deutschland sehr häufig unentdeckt bleibt: Auf jeden bekannten Diabetiker kommt einer, dessen Zuckerkrankheit noch nicht diagnostiziert wurde. In den 90-er Jahren trugen die Augsburger Daten wesentlich zu der Erkenntnis bei, dass Arteriosklerose nicht nur eine Ablagerung in den Gefäßen bedeutet, sondern eine Entzündungskrankheit ist.

Schlagzeilen machten die KORA-Wissenschaftler mit dem bereits erwähnten Zusammenhang zwischen Infarkt und Luftverschmutzung: Sie konnten nachweisen, dass mit ultrafeinen und lungengängigen Partikeln verschmutzte Luft Herzinfarkte auslösen kann. Bei der Befragung von Herzinfarktpatienten zum Ablauf der letzten vier Tage vor dem Infarkt zeigte sich zudem, dass auch Aufenthalte in Verkehrsmitteln Herzinfarkte verursachen können. Hierdurch könnten Menschen mit entsprechender genetischer Veranlagung besonders betroffen sein. Deshalb bezieht die neue, von der EU geförderte AIRGENE-Studie zum Komplex "Entzündungshemmung und Luftverschmutzung" die Genetik mit ein.

Auch in Zukunft soll die KORA-Forschung als Erkenntnisquelle für die bevölkerungsbezogene Gesundheitsforschung genutzt werden. Untersuchungen bis zum Jahr 2007 befinden sich bereits in der konkreten Planungsphase. Neuherberg, 26. Januar 2005.

Diese Pressemitteilung wurde über den - idw - versandt.

zuletzt bearbeitet: 26.01.2005 nach oben

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