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Neue Erkenntnisse im Kampf gegen Diabetes und Krebs
Deutscher Physiker erhält Körber-Preis für europäische Wissenschaft
Der Physiker und Bioinformatiker Matthias Mann hat sich zum Ziel gesetzt, den Code des "Proteoms" zu knacken. Er erhofft sich davon unter anderem neue Erkenntnisse im Kampf gegen Diabetes und Krebs.
Der mit 750.000 Euro dotierte Körber-Preis 2012 geht an Matthias Mann. Der interdisziplinär arbeitende Wissenschaftler erhält die Auszeichnung für seine bahnbrechenden Arbeiten zum Proteom, der Gesamtheit aller Eiweiße eines Lebewesens. Der Körber-Preis ehrt Wissenschaftler mit besonders innovativen Forschungsvorhaben. Ein international zusammengesetztes Kuratorium unter dem Vorsitz von Professor Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, wählte den Preisträger aus.
Der 52-jährige "Eiweiß-Detektiv", wie ihn seine Mitarbeiter nennen, studierte in Göttingen Mathematik und Physik und später an der amerikanischen Yale University im Fachbereich Chemical Engineering. Als Doktorand in Yale konzentrierte er sich auf Proteinforschung und entwickelte zusammen mit seinem Doktorvater John Fenn das sogenannte Elektrospray-Verfahren. Damit ist es möglich, Proteine elektrisch aufzuladen, in die Atmosphäre zu überführen und mit massenspektrometrischen Methoden zu vermessen. Fenn erhielt dafür 2002 den Chemie-Nobelpreis.
Massenspektrometer wurden bislang vor allem von Physikern und Chemikern eingesetzt. Die Elektrospray-Methode ermöglicht, dieses hochpräzise Messverfahren nun auch in der Welt der Biologie zu nutzen. 2005 verfeinerte Mann als Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried, das er seit 2007 als Direktor leitet, die Technik weiter: "Wir haben inzwischen die beste Technologie entwickelt. Hunderte Forscher-Teams arbeiten weltweit damit."
Die Entschlüsselung des Proteoms ergänzt und erweitert das bereits abgeschlossene "Human Genome Project", mit dem das menschliche Genom sequenziert wurde. Das Genom ist die Gesamtheit aller Erbanlagen (Gene), das Proteom die Gesamtheit aller Proteine. Während die Gene (DNA) passiv in den Zellkernen schlummern und zeitlebens meist unverändert bleiben, ändern sich die von der Zellmaschinerie aus der DNA erzeugten Proteine ständig. Das Proteom liefert daher immer nur eine Art "Momentaufnahme". Doch gerade dies eröffnet Forschern völlig neue Perspektiven: So verrät etwa der Vergleich des Proteoms gesunder und kranker Zellen, welche Proteine die Entstehung von Krankheiten wie Krebs begünstigen oder hemmen.
Das Besondere an dem von Matthias Mann entwickelten massenspektro- metrischen Verfahren ist, dass sämtliche Proteine einer Zelle auf einen Schlag analysiert werden können, während sich Forscher traditionell nur mit der Wirkung eines oder einiger weniger Proteine befassen. Eine menschliche Zelle enthält bis weit über 100.000 unterschiedliche Proteine, aber nur 20.000 Gene, die dafür kodieren. Tatsächlich können aus einem einzigen Gen-Abschnitt bis zu 100 unterschiedliche Proteine entstehen: Zum einen dadurch, dass die Zellmaschinerie die kopierten DNA-Sequenzen je nach Bedarf aufteilt und zu neuen Aminosäureketten zusammenfügt; zum anderen werden die Proteine mit Modifikationen wie "An- und Ausschaltern« versehen. Die Entschlüsselung des Proteoms ist daher ungleich schwieriger als die des Genoms, die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen.
2010 gelang es Mann und seinem Team erstmals, das komplette Proteom eines Lebewesens zu entschlüsseln, das der Hefezelle, die mehr als 4.000 Proteine auf einmal enthält. Inzwischen arbeiten Forscher in aller Welt fieberhaft daran, das komplette menschliche Proteom zu analysieren. Dieses "Human Proteom Project" verspricht einen ähnlich spannenden Wettlauf wie um die Jahrtausendwende das "Human Genome Project".
Matthias Mann wurde bereits mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet, darunter Anfang 2012 der Leibniz-Preis. Die 28. Verleihung des Körber-Preises für die Europäische Wissenschaft findet am 7. September 2012 im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses statt.
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