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Sind Diabetiker beim Hausarzt gut versorgt?

Pressemitteilung: Universitätsklinikum Jena

Studie untersucht hausärztliche Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes

Allgemeinmediziner untersuchen gemeinsam mit Medizinpsychologen des Universitätsklinikums Jena (UKJ) den Einfluss des Bindungstyps von Patienten mit mehreren chronischen Erkrankungen auf deren Fähigkeit zum Selbstmanagement. Die Studie ist eines der wenigen Forschungsprojekte, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin fördert.

Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit: Die Behandlung chronischer Erkrankungen in der Hausarztpraxis sollte nicht nur abgestimmt sein auf den bisherigen Verlauf und den aktuellen Laborbefund, sondern auch auf die Persönlichkeit des Patienten. Doch angesichts immer vollerer Wartezimmer und der steigenden Zahl älterer Patienten mit mehreren Erkrankungen, die meist spezifische Untersuchungen erfordern, ist es für Mediziner oft schwer, die gesamte Person des Patienten im Blick zu behalten. Zudem kann es sein, dass Menschen mit gleichzeitig mehreren chronischen Krankheiten mehr Unterstützung brauchen als für die bloße Behandlung der einzelnen Erkrankungen notwendig wäre.

"Erfahrene Hausärzte berücksichtigen das intuitiv", so Prof. Dr. Jochen Gensichen, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am UKJ. "Sie wissen zum Beispiel, dass Frau Meier oft auch ohne Termin oder akuten Anlass kommt, weil sie das Gespräch sucht, dass aber der Anruf von Herrn Müller ein echtes medizinisches Alarmsignal ist." Die Allgemeinmediziner starteten jetzt gemeinsam mit Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie des Klinikums eine Studie, um dieses intuitive Wissen mit wissenschaftlichen Fakten zu untersetzen.

Gerade bei älteren, mehrfach erkrankten Patienten gibt es große Unterschiede darin, wie viel sie selbst mitentscheiden wollen, wie sie bei der Selbstversorgung ihrer Krankheit im Alltag zurechtkommen oder wie häufig und bei welchen Anlässen sie medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. "Eine wesentliche Ursache dafür sehen wir im unterschiedlichen Bindungstyp der Patienten", erklärt Studienleiterin Katja Brenk-Franz den Ansatz. Diese individuelle Art, Beziehungen zu Mitmenschen aufzubauen, wird vor allem in der Kindheit geprägt, aber auch von späteren Erfahrungen beeinflusst. "Besonders in emotionalen Stresssituationen, z. B. bei Krankheit, wird deutlich, ob jemand zum Beispiel distanziert ist und nahe Beziehungen eher vermeidet, oder angemessen und souverän mit seinen Mitmenschen umgeht", so die Psychologin.

Über 200 ältere Patienten, die in Hausarztpraxen wegen Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und einer weiteren chronischen Erkrankung in Behandlung sind, werden zu ihrem Bindungstyp und ihrer Fähigkeit zum Selbstmanagement untersucht. Die Studienteilnehmer sollen zum Beispiel Auskunft darüber geben, ob sie Probleme, auch gesundheitliche, zuversichtlich anpacken, wie stark sie sich von ihrer Krankheit beeinträchtigt fühlen, wie genau sie sich an die Verordnungen und Ratschläge des Arztes halten und wie oft sie zum Haus- oder Facharzt gehen, den Notarzt rufen oder im Krankenhaus sind. Alle Daten werden zweimal erhoben mit einem Jahr Abstand, um auch eine zeitliche Entwicklung dokumentieren zu können.

"Wir wollen prüfen, welchen Einfluss die Arzt-Patienten-Beziehung, die ja entscheidend vom Bindungstyp des Patienten mit bestimmt wird, auf das Krankheitserleben und die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen, hat", nennt Prof. Bernhard Strauß, Direktor des Instituts für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie eines der Studienziele. Die ungewöhnliche Kombination entwicklungspsychologischer Ansätze mit Aspekten der Versorgungsforschung überzeugte auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die das auf zwei Jahre angelegte Projekt fördert. Es ist eine der sehr wenigen Studien auf dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin, die von der DFG unterstützt wird.

Von den Ergebnissen der Untersuchung könnten sowohl die Hausärzte als auch die Patienten profitieren. "Zum einen werden wir dann eine psychologisch fundierte Begründung liefern für bestimmte Reaktionen von Patienten", so Katja Brenk-Franz. Zum anderen planen die Wissenschaftler konkrete Handreichungen für die Ärzte. Patienten, die zum Bagatellisieren neigen und ihre Krankheit lieber "mit sich ausmachen", ist möglicherweise mit einer Infobroschüre mehr geholfen als mit einem sehr ausführlichen Informationsgespräch, das andere aber unbedingt brauchen. "Wir wollen es dem Hausarzt als wichtiger Bezugsperson ermöglichen, noch individueller auf den Patienten einzugehen und perspektivisch dazu beitragen, das Selbstmanagement der Patienten zu stärken", so Prof. Dr. Jochen Gensichen zum Studienstart.

Diese Pressemitteilung wurde über den - idw - versandt.

zuletzt bearbeitet: 05.07.2012 nach oben

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