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Arzneimitteltherapie im Alter verbessern
Geriater nehmen die Bedarfsmedikation in den Fokus
Die Arzneimitteltherapie alter Menschen ist eine große Herausforderung. "Gängige Leitlinien zur Behandlung typischer Krankheiten wie Diabetes, Herzschwäche und anderem berücksichtigen oftmals nicht, dass viele alte Menschen an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden und sich Medikamente gegen die verschiedenen Leiden mitunter nicht miteinander vertragen", erläuterte der Arzneimittelexperte der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG), Dr. Ulrich Thiem vom Marienhospital Herne, zugehörig zur Ruhr-Universität Bochum.
Hinzu komme, dass manche Medikamente bei alten Menschen per se besonders häufig unerwünschte Nebenwirkungen auslösen und Geriater ihren Einsatz bei alten Menschen daher kritisch sehen, sagte er heute auf dem Gemeinsamen Gerontologie- und Geriatriekongress 2012 in Bonn.
PRISCUS-Liste
Ein Ansatz, die Arzneimitteltherapie alter Menschen zu verbessern, ist die sogenannte PRISCUS-Liste. Sie enthält 83 Wirkstoffe, die alte Menschen nur in besonders begründeten Sonderfällen erhalten sollten. Medikamente der Liste, die eigentlich vermieden werden sollen, erhalten alte Menschen in Deutschland laut der DGG etwa genauso häufig verordnet wie in anderen Ländern, nämlich in rund zwei bis fünf Prozent der Verordnungen insgesamt. Etliche Untersuchungen der letzten zwei Jahre haben dies für Deutschland gezeigt. Allerdings: ob die Vermeidung dieser Medikamente wirklich dazu führt, dass ältere Patienten seltener stürzen oder weniger verwirrt sind, ist wissenschaftlich noch unklar. "Die Diskussionen der vergangenen zwei Jahre dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir noch immer nicht wissen, ob es den Patienten wirklich nützt, wenn Ärzte die Empfehlungen der PRISCUS-Liste konsequent umsetzen", betonte Thiem. "Hier bleibt noch viel Arbeit zu tun".
Hamburger Studie zur Patientensicherheit im Krankenhaus
"Die Häufigkeit, mit der alte Menschen Medikamente der PRISCUS-Liste erhalten, ist für den ambulanten Bereich recht gut bekannt", erläuterte Prof. Dr. Wolfgang von Renteln-Kruse, Chefarzt Geriatrie im Albertinen-Krankenhaus Hamburg auf dem Kongress. Im Rahmen des Forschungsverbundes LUCAS (Longitudinal Urban Cohort Ageing Study) in Hamburg hat seine Arbeitsgruppe jetzt die Situation im Krankenhaus untersucht. Hintergrund ist eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Studie seiner Arbeitsgruppe. Die interdisziplinäre Forschungsgruppe untersucht darin, was Kliniken tun können, damit alte Menschen im Krankenhaus seltener stürzen. Einer ihrer Ansätze ist dabei, die verordneten Medikamente zu erfassen, die alte Menschen einnehmen. Denn einige Arzneimittel erhöhen das Risiko für Stürze, zum Beispiel, weil sie Schwindel auslösen.
Problematische Arzneimitteltherapie im Krankenhaus - erste Zahlen
Die Hamburger Forscher untersuchten 2.256 Patienten und erfassten 27.759 Medikamente, die diesen bei Aufnahme in die Klinik regelhaft oder bei Bedarf verordnet waren. Es zeigte sich, dass 2,84 Prozent der Regelmedikation bei Aufnahme PRISCUS-Medikamente waren und 17,7 Prozent der Bedarfsmedikation. Bei Entlassung betrug der Anteil der PRISCUS-Medikamente 2,96 Prozent der Gesamtverordnungen, nämlich 2,63 Prozent in der Regelmedikation und 9,43 Prozent bei der Bedarfsmedikation. Insbesondere waren Schlaf-fördernde und kardiovaskuläre Medikamente häufig für den Bedarfsfall verordnet.
Die akute Erkrankungssituation sowie die unbekannte Umgebung, als Merkmale des Settings Krankenhaus, können einen Erklärungsansatz darstellen. Weitere Untersuchungen zielen darauf, unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu differenzieren nach einer regelmäßigen Einnahme beziehungsweise im Bedarfsfall. "Die Auswertung zeigt den Bedarf für (auch nicht pharmakologische) Alternativen für verordnete PRISCUS-Medikamente in der Bedarfs-Medikation", folgerte von Renteln-Kruse.
Hintergrundinformationen zum Geriatriekongress Bonn 2012
Vom 12. bis 15. September 2012 findet im World Conference Center in Bonn, dem ehemaligen Bundestag, das im deutschsprachigen Raum größte Treffen zum Thema Krankheit und Gesundheit im Alter statt.
Der Titel des Kongresses ist Programm: "Alternsforschung: Transnational und translational". "Gemeinsam schlagen wir auf dem Kongress eine Brücke zwischen klinisch-praktischer Arbeit und Forschung in der Altersmedizin", erläutert der Präsident elect der DGG und Kongresspräsident Prof. Dr. Ralf-Joachim Schulz aus Köln. Die DGG veranstaltet den Kongress gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e.V. (DGGG), der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG), der Schweizerischen Gesellschaft für Gerontologie (SGG) sowie der Schweizerischen Fachgesellschaft für Geriatrie (SFGG).
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