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Diabetestherapie bei Kindern und Jugendlichen
Fortschritte und Hoffnung auf Heilung
Im Gegensatz zum Typ-2-Diabetes, der über 90 Prozent aller Patienten betrifft und dessen Häufigkeit auch im Kindes- und Jugendalter zunimmt, kann Übergewicht für den sogenannten Insulinmangeldiabetes (Typ-1-Diabetes) nicht verantwortlich gemacht werden. Es handelt sich um eine andere Erkrankungsform, die in der Altersgruppe von Kindern und Jugendlichen gehäuft auftritt. Der Typ-1-Diabetes macht sich über Symptome wie vermehrter Harndrang, starker Durst, Gewichtsabnahme, Anfälligkeit für Infekte, Müdigkeit usw. bemerkbar.
Die Ursachen der Autoimmunerkrankung sind bis heute unzureichend geklärt. Fest steht: Kinder können nichts dafür, wenn sie die chronische Erkrankung trifft. Sie können den Ausbruch des Typ-1-Diabetes, der lebenslang eine Substitution mit Insulin erfordert, nicht beeinflussen. Vermutlich ist der Auslöser für die Zerstörung der Betazellen in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ein komplexes Zusammenspiel aus genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen. Das Schlüsselhormon Insulin kann nicht mehr vom eigenen Körper produziert werden. Es bleibt nur die Gabe mittels Injektion unter die Haut. Mehrmals täglich spritzen und den Blutzucker kontrollieren ist für Heranwachsende eine große Belastung.
Derzeit leiden 25.000 Kinder und Jugendliche an Diabetes mellitus Typ 1. Die Anzahl der jährlichen Neuerkrankungen ist in den letzten Jahren auf 3 bis 5 Prozent gestiegen. Bei Kindern unter 5 Jahren liegt die Neuerkrankungs-Rate höher. Sie beträgt 7 Prozent, obwohl man lange Zeit davon ausging, dass der Gipfel der Erkrankung die Pubertät ist. Zahlreiche Wissenschaftler versuchen das Rätsel zu lösen, wie Typ-1-Diabetes verhindert werden kann. Erst kürzlich ist es Diabetesforschern in Deutschland gelungen, Risiko-Gene zu identifizieren und Inselautoantikörper zu diagnostizieren. Daraus wurde ein Test entwickelt, der die Bestimmung des Diabetes-Risikos bei Neugeborenen ermöglicht. Damit wird die Erkrankung zwar vorhersehbar, aber noch nicht heilbar. Deshalb werden Strategien erforscht und entwickelt, die in das Immunsystem der Betroffenen prophylaktisch eingreifen, z. B. durch vorbeugende Impfungen (in Pulverform, als Nasenspray u. a.). Nach aktuellen Erkenntnissen besteht für Eltern von Kindern mit hohem Diabetes-Risiko berechtigte Hoffnung, dass der Krankheitsausbruch verhindert oder verzögert werden kann.
Für Heranwachsende, die bereits an Typ-1-Diabetes erkrankt sind und damit leben müssen, gibt es mittlerweile hervorragende Therapien und Hilfsmittel. So werden Messgeräte zur Blutzuckerkontrolle kleiner, schneller und handlicher. Die erforderliche Blutmenge ist zudem geringer geworden. Und die Möglichkeiten, die physiologische Insulinsekretion wie bei Stoffwechselgesunden zu imitieren, werden technisch ausgeklügelter. Neben modernen Insulinen gibt es zu deren Applikation feinere Kanülen für Spritze und Pen, dazu halbautomatische Pens, die sich die Dosis merken, wie viel Insulin zuletzt gespritzt wurde. Eine Innovation ist die Insulinpumpentherapie, die inzwischen auch bei Kleinkindern eingesetzt wird. Optisch nicht größer als ein Handy kann mit der Elektronik in der Pumpe der Insulinbedarf passgenauer gesteuert werden. Das funktioniert nicht komplett automatisch - das wäre eher Zukunftsprojektion. Allerdings werden schon sogenannte Closed-Loop-Systeme erprobt. Sie kombinieren die Insulinpumpe mit kontinuierlicher Messung des Zuckerspiegels im Unterhautfettgewebe.
Trotz technischer Fortschritte in der Therapie bei Kindern und Jugendlichen bleibt die Angst der Eltern vor akuten Komplikationen (Unterzuckerung, Entgleisung mit hohen Werten), die nicht rechtzeitig bemerkt werden und als lebensbedrohliche Notfälle enden können. Was ebenso bleibt, ist die große Unsicherheit vor späteren Folgen wie Schäden an Nieren, Augen und Füßen. Mit langer Erkrankungsdauer, unzureichender Stoffwechseleinstellung und ungünstigen Begleitfaktoren (Gewichtsprobleme, Bluthochdruck, Rauchen etc.) erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für solche Probleme, die nicht eintreten müssen, aber auftreten können. Bis Kinder und Jugendliche mit Diabetes erwachsen sind, muss ihnen das bestmögliche Rüstzeug für eine altersentsprechende Entwicklung mitgegeben werden. Dazu gehört auch, dass in Schule und Freizeit keine Ausgrenzung stattfindet. Heranwachsende mit Diabetes können und wollen genauso leistungsfähig sein wie andere. Eine Aufgabe ist es, das auf allen Ebenen und mit vereinten Kräften zu fördern.
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