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SGLT2-Hemmer: Neue Gruppe von Diabetesmedikamenten für Typ-2-Diabetiker

Dapagliflozin in der Europäischen Union zugelassen

Aktuelle Studien vorgestellt und kommentiert von Prof. Helmut Schatz

Am 14. November 2012, dem Weltdiabetestag, wurde von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) Dapagliflozin als erste Substanz aus einer völlig neuen Gruppe von Diabetesmedikamenten, den Hemmern der Glukoserückresorption in der Niere (SGLT2-Hemmern) zugelassen. Es soll ab 17. Dezember 2012 in den deutschen Apotheken in der Standarddosis von 10 mg und auch in 5 mg-Tabletten für Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz erhältlich sein.

Es wird 1x täglich eingenommen und bewirkt, dass Zucker durch den Harn ausgeschieden wird. Dadurch wird ein erhöhter Blutzuckerspiegel abgesenkt. In einem DGE-Blog-Beitrag vom 21. April 2012 war schon über die positive Beurteilung durch das CHMP, das Beratergremium der EMA berichtet worden. Im Unterschied zur EMA dürfte die Zulassung bei der Amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA wegen noch nicht ausgeräumter Sicherheitsbedenken, vor allem im Hinblick auf ein potentiell erhöhtes Karzinomsrisiko für Harnblase und Brust wohl noch etwa 1 Jahr dauern.

Der Handelsname von Dapagliflozin lautet Forxiga®, die Substanz wird von AstraZeneca und Bristol-Myers Squibb gemeinsam vertrieben. Die Zulassung gilt für Typ-2-Diabetespatienten ab dem 18. Lebensjahr zusätzlich zu Diät und Bewegung als Monotherapie nur dann, wenn Metformin nicht geeignet ist. In erster Linie ist es für eine Add-on-Kombinationstherapie indiziert, vor allem mit Metformin, Sulfonylharnstoffen und Insulin. Eine Kombination mit Pioglitazon wird wegen der Blasenkarzinomproblematik nicht empfohlen, zur Zeit auch nicht mit Dipeptidylpeptidase-4-Hemmern. Ebenso soll es Menschen über 65-75 Jahre wegen des Risikos von Dehydratationen durch die osmotische Diurese mit der Folge von Hypotonien nicht verabfolgt werden.

Dapagliflozin senkt HbA1c um 0.6-0.8 Prozentpunkte. Das Gewicht nahm in Studien über 2 Jahre gegenüber Plazebo um 2-3 kg, gegenüber Sulfonylharnstoffen um 3-5 kg ab. Der systolische Blutdruck sank um etwa 4 mmHg. Demgegenüber stehen ein Anstieg des Hämatokrits und eine Häufung urogenitaler Infekte. Anlass zu ernsten Überlegungen waren die zwar nicht signifikanten, aber doch numerischen Karzinomhäufungen unter Dapagliflozin gegenüber Plazebo: Blasenkarzinome 9:1, Brustkrebs 10:3. Der Prozentsatz von Patienten mit malignen oder unklassifizierten Tumoren insgesamt betrug für Dapagliflozin 1.47 %, für Plazebo 1.35 % (Unterschied nicht signifikant).

Kommentar: Es wird sich jetzt nach erfolgter Zulassung bei breiterem Einsatz zeigen, wie sich Nutzen und Risiken der neuen Therapieform in der "real world", also der Praxisanwendung zueinander verhalten werden. Es wird zur Zeit eine lange Reihe von weiteren SGLT2-Hemmern entwickelt. Am weitesten fortgeschritten ist Canagliflozin von Janssen-Cilag/Johnson & Johnson. Die Hersteller rechnen mit einer Zulassung durch die EMA ab Herbst 2013. Dann folgt wohl Empagliflozin von Boehringer-Ingelheim/Lilly.

Auf dem Europäischen Diabeteskogress in Berlin 2012 wurden noch zahlreiche weitere Präparate vorgestellt. Die Firma ISIS arbeitet zudem an der Antisense-Technologie für SGLT2, das heißt der Ausschaltung der Bildung des Glukosetransportes in der Niere: Das Gen für den Eiweißkörper SGLT2 wird durch Antisense-Oligonukleotide inaktiviert. Diese sollen den Patienten etwa monatlich injiziert werden. SGLT2 könnte dann nicht mehr gebildet werden und Zucker würde mit dem Harn für längere Zeit auch ohne Tabletteneinnahme ausgeschieden.

Literatur

zuletzt bearbeitet: 30.11.2012 nach oben

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Dr. phil. Axel Hirsch

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