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Deutsche Diabetes Gesellschaft kritisiert Trend zur "Reparaturmedizin"
Zunahme von Herzeingriffen auch Folge unzureichender Diabetestherapie
Der kürzlich veröffentlichte Krankenhaus-Report 2013 der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) belegt, dass die Zahl der Eingriffe am Herzen in Deutschland zwischen den Jahren 2008 und 2010 um 25 Prozent gewachsen ist. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) führt diese Entwicklung auch auf eine unzureichende Diabetesbehandlung zurück. "Eine Therapie, die das individuelle Therapieziel für Blutzucker, LDL-Cholesterin und Blutdruck nicht erreicht, schädigt die Gefäße und lässt Eingriffe, etwa für einen Herzkatheter oder eine Bypass-Operation, häufig erst notwendig werden", betont Professor Dr. med. Stephan Matthaei, Präsident der DDG.
Der Herzinfarkt sei eine häufige Folgeerkrankung des Diabetes, so Matthaei. Viele Infarkte wären durch eine zielwertorientierte und sichere Diabetestherapie vermeidbar - aber leider belohne das gegenwärtige Vergütungssystem diese nicht. Stattdessen begünstige das aktuelle Klassifikationssystem der diagnosebezogenen Fallgruppen jene Behandlungen finanziell, die nicht die Ursachen bekämpfen, sondern den gesundheitlichen Schaden beheben, wenn er bereits eingetreten ist. "Wir bedauern, dass die DRG-Systematik damit indirekt den Trend zur Reparaturmedizin am Herzen fördert", erklärt Matthaei. "Es wäre aus unserer Sicht weitaus sinnvoller, stärkere Anreize für eine leitliniengerechte Behandlung des Diabetes zu verankern, mit dem Ziel, Folgeerkrankungen des Diabetes zu verhindern." Dies würde sich langfristig auch günstig auf die Kostenentwicklung auswirken.
Der Krankenhaus-Report der AOK kam in Bezug auf die gestiegene Anzahl der Herzeingriffe zu dem Schluss, dass nur etwa zehn Prozent des Anstiegs auf die demografische Entwicklung zurückzuführen seien. Aus welchen Gründen darüber hinaus eine Mengenausweitung etwa bei Eingriffen am Herzen stattfindet, ist derzeit Gegenstand der Diskussion unter Gesundheitsexperten. Die DDG sieht einen dieser Gründe in falschen finanziellen Anreizen für die invasive Apparatemedizin.
"Die Folgen von Diabetes mellitus sind vor allem dann schwerwiegend, wenn ein Diabetes über lange Zeit unentdeckt bleibt oder inadäquat behandelt wird", betont DDG-Pressesprecher Professor Dr. med. Andreas Fritsche. Zu den schwerwiegendsten Folgen gehören Herzerkrankungen wie Herzinfarkte, Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche. "Oft wird Diabetes nur als einer von vielen Risikofaktoren für eine Herzerkrankung gesehen - es wird dann die Herzerkrankung behandelt, und die Notwendigkeit der Diabetesbehandlung tritt gerade im Krankenhaus in den Hintergrund", bedauert Fritsche. Dabei verursachten und verschlechterten zu hohe Blutzuckerwerte direkt diese Herzerkrankungen. Aber auch Hypoglykämien, also Unterzuckerungen, gehen bei Herzkranken mit gefährlichen, auch tödlichen Herzrhythmusstörungen einher.
Deshalb ist ein Ziel der Deutschen Diabetes Gesellschaft, die Behandlung von Diabetespatienten auch im Krankenhaus zu verbessern. Beispielsweise soll das Zertifikat "Klinik für Diabetespatienten geeignet (DDG)" bestmögliche Betreuung der Patienten mit der Nebendiagnose Diabetes im Krankenhaus erreichen. "Denn die Diagnose Diabetes ist nicht zu unterschätzen - weder in ihrer Häufigkeit noch in ihren Auswirkungen auf den Klinikaufenthalt", so Professor Matthaei.