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Hilfe zur Selbsthilfe bei Typ-1-Diabetes
PRIMAS: Erfahrungen aus der Schulungspraxis
Die Erkenntnisse aus der ärztlichen Praxis zeigen: Der Primär- und Nachschulungsbedarf bei Typ-1-Diabetikern ist hoch. In einem Symposium der Berlin-Chemie AG auf der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Berlin wurden Erfahrungen aus der Arbeit mit dem neuen Schulungs- und Behandlungsprogramm PRIMAS vorgestellt. Das Programm ist sowohl für die Erstschulung als auch für die Wiederholungsschulung geeignet. PRIMAS wurde speziell für erwachsene Typ-1-Patienten entwickelt und zielt auf ein selbstbestimmtes Leben mit Diabetes. Viel Wert wird darauf gelegt, dass die Teilnehmer das Erlernte zwischen den Stunden umsetzen und im Kurs intensiv Erfahrungen austauschen - so können sie voneinander lernen.
Gerade bei Patienten, die bereits seit mehreren Jahren erkrankt sind, können immer wieder Probleme mit der Therapie auftreten. Vermehrte Hypoglykämien, geringes Wissen um die Erkrankung oder sinkende Motivation erfordern häufig eine Nachschulung. "Die Ergebnisse der PRIMASCOPE-Studie zeigen darüber hinaus, dass in Deutschland 25 Prozent der Typ-1-Diabetiker noch nie systematisch geschult wurden", resümierte Dr. med. Rainer Betzholz, Diabetologe in Neuss.[*] Als Begründung geben Patienten meist Zeitdruck im beruflichen Alltag und mangelnde Motivation an. "Auch die reine Wissensvermittlung in Schulungen ist erfahrungsgemäß häufig ein Grund für Patienten, eine Diabetesschulung abzulehnen", berichtete Betzholz.
Hilfe zur Selbsthilfe: Lernen, die Krankheit zu verstehen
Hier setzt das neue Schulungs- und Behandlungsprogramm an. PRIMAS zielt auf ein selbstbestimmtes Leben mit Diabetes: "Empowerment anstatt Compliance" bestimmt den therapeutischen Ansatz der Schulung. Das Programm unterstützt die Patienten beim Erwerb der notwendigen Fähigkeiten für einen möglichst selbstständigen Umgang mit ihrer Erkrankung. "PRIMAS ist kein Wissensvermittlungsprogramm, sondern ein Problemlösungsprogramm", betonte PD Dr. Bernhard Kulzer, Bad Mergentheim.
Anhand eines "plausiblen Erklärungsmodells" beispielsweise werden den Schulungsteilnehmern Informationen zu verschiedenen Stoffwechselprozessen vermittelt (Abb. 1). Wie funktioniert der Blutzucker-Insulin-Haushalt bei einem gesunden und einem an Typ-1-Diabetes erkrankten Menschen? Welche Auswirkungen hat z. B. Alkohol auf diese Prozesse? - Fragen, die mit Hilfe der Schulungsfolien anschaulich beantwortet werden können und deren Klärung den Patienten hilft, mit ihrer Erkrankung in besonderen Situationen besser umzugehen.Entscheidend bei PRIMAS ist, dass die Patienten vom Erfahrungsaustausch in der Gruppe profitieren. Die Schulung findet nicht nur in Form einer reinen Wissensvermittlung statt, sondern wird interaktiv von den Teilnehmern mitgestaltet.
Eine speziell für Verwandte und Lebenspartner eingerichtete Schulungsstunde gibt darüber hinaus auch Angehörigen die Gelegenheit, sich über Typ-1-Diabetes zu informieren. So können Menschen aus dem unmittelbaren Umfeld die Patienten im Umgang mit der Erkrankung unterstützen.
Gabriele Trappen, Diabetesberaterin DDG, Neuss, sieht ebenso Vorteile für die schulenden Trainer: "PRIMAS bietet uns Schulungskräften ein umfassendes Angebot an Materialien, deren Einsatz mit dem Curriculum sehr gut erläutert wird. Der umfangreiche Foliensatz beinhaltet auch optionale Folien, um individuelle Schwerpunkte zu setzen. Wir können so gezielt auf die Probleme der Patienten eingehen und Fertigkeiten im Umgang mit ihrem Typ-1-Diabetes gut vermitteln."
PRIMAS 2013
Eine zurzeit laufende Studie beschäftigt sich mit dem Einsatz von PRIMAS in der Praxis. Ihre Ergebnisse sollen im Rahmen der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft 2013 vorgestellt werden. Geplant sind zudem Erweiterungen des bisherigen Schulungsangebotes mit Modulen, die sich alltäglichen Themen der Typ-1-Diabetiker widmen und sich an den Schulungswünschen der Patienten orientieren. "Diese Problem-orientierten Schulungen sind an Patienten gerichtet, die bestimmte Fragestellungen der Basisschulung gerne vertiefen möchten", sagte Kulzer. Geplant sind Themen wie "Diabetes und Soziales" oder "Diabetes und Sport", die in einstündigen Modulen umgesetzt werden sollen.
PRIMAS wurde vom Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM) und der BERLIN-CHEMIE AG unter der Leitung von Professor Dr. Norbert Hermanns und Privatdozent Dr. Bernhard Kulzer (FIDAM) entwickelt. In zwölf ambulanten Kurseinheiten à 90 Minuten lernen die Patienten in kleinen Gruppen, ihren Alltag mit Diabetes in eigener Verantwortung zu managen. Das beginnt bei der Ernährung und Insulindosierung und geht bis zu Therapiemotivation, Sport und Partnerschaft.
Die Trainer-Materialien bestehen aus: Schulungskoffer mit Curriculum "Erfolgreich schulen", CD mit Kursstunden (optional Folien-Ordner-Set), Patientenset "Selbstbestimmt leben mit Insulin", Set "Diabetes und ich", Ernährungsquiz "Essen was schmeckt". Das Patienten-Set besteht aus: Buch "Selbstbestimmt leben mit Insulin", Insulinschablonenset "So wirkt mein Insulin", Arbeitsblätter, Diabetestagebuch, Ernährungstabelle "Kohlenhydrate auf einen Blick". Die Materialien zu PRIMAS sind unter www.kirchheim-verlag.de und unter www.diabetes-schulungsprogramme.de erhältlich.
Quellen
Symposium der Berlin-Chemie AG "PRIMAS - praktische Erfahrungen mit einem Schulungs- und Behandlungsprogramm für Menschen mit Typ-1-Diabetes" im Rahmen der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft 2012 am 17.11.2012 in Berlin.
Der Name PRIMAS entstand aus der Assoziation der Begriffe "Typ-1-Diabetes" und "primus" (lateinisch: 1). Außerdem wurden daraus die Anfangsbuchstaben der sechs fiktiven Protagonisten gebildet, denen die Patienten im Kurs immer wieder begegnen: Paul, Rita, Ingo, Murat, Anne und Sonja.
Kulzer B et al. "Ambulante strukturierte Schulung bei Typ-1-Diabetes", Poster 122, 47. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft 2012.
Bildunterschrift: Erklärungsmodell "Wirkung des Alkohols", Schulungs- und Behandlungsprogramm PRIMAS.
Bildquelle: BERLIN-CHEMIE AG