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Finanzausgleich fördert Krankheit statt Prävention

Morbi-RSA bestraft Kassen für Maßnahmen zu Vorbeugung von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes

Der größte Teil der Gesundheitsausgaben hierzulande - Schätzungen gehen von bis zu 70 Prozent aus - entfällt auf die Behandlung sogenannter Zivilisationskrankheiten. Dazu gehören zum Beispiel Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Rückenbeschwerden. Allen gemeinsam ist, dass sie oft lebensstilbedingt und damit eigentlich vermeidbar sind - hervorgerufen durch ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und Stress. Mit einer gesünderen Lebensweise ließe sich nach Ansicht der Techniker Krankenkasse (TK) viel dagegen tun. Allerdings sind die Anreize im Gesundheitssystem falsch gesetzt, denn im Finanzausgleich (dem sogenannten Morbi-RSA) werden Kassen finanziell bestraft, wenn sie sich zum Beispiel darum kümmern, dass sich die Zuckerkrankheit eines Versicherten nicht verschlechtert. Finanziell attraktiv ist es hingegen, möglichst viel Krankheit zu dokumentieren. Denn je mehr Krankheiten eine Kasse bei ihren Versicherten nachweisen kann, umso mehr Geld erhält sie aus dem Gesundheitsfonds.

Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK, kritisiert, dass die Krankenkassen so kaum Anreize haben, sich um eine bessere Gesundheit ihrer Kunden zu kümmern: "Je mehr Krankheiten für unsere Versicherten dokumentiert werden und je mehr Medikamente sie bekommen, desto mehr Geld bekommen wir für sie aus dem Gesundheitsfonds." Statt den Wettbewerb um bestmögliche medizinische Versorgung und schlanke Verwaltung zu fördern, honoriere der derzeitige RSA eine möglichst dramatische Dokumentation von Krankheit. "Ein Gesundheitssystem, in dem niemand mehr ein Interesse an gesunden Menschen hat, ist ein krankes System", erklärt der TK-Chef.

Laut des aktuellen TK-Gesundheitsreports, der die Krankschreibungen und Arzneimitteldaten der 4,4 Millionen bei der TK versicherten Erwerbspersonen analysiert, ist das Arzneimittelvolumen gegen Herz-Kreislauf-Krankheiten seit dem Jahr 2000 um 80 Prozent gestiegen, bei den Stoffwechselstörungen sind es sogar 95 Prozent. Jeder zehnte Fehltag hierzulande ist rückenbedingt.

Um die Gesundheit der Menschen nachhaltig zu fördern und Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herzerkrankungen und Rückenschmerzen zu bekämpfen, brauche es daher ein bundesweites Engagement für Gesundheitsförderung. "Prävention kostet allerdings Geld. Wenn wir uns dafür einsetzen wollen, dass Menschen nachhaltig zu einem gesünderen Lebensstil finden, dann muss dieses Engagement auch honoriert werden. Wenn wir aber weniger aus dem Fonds bekommen, je besser es unseren Versicherten geht, läuft etwas verkehrt." Baas fordert daher, lebensstilbedingte Erkrankungen, die sich durch Prävention und eine gesündere Lebensweise vermeiden lassen, im Finanzausgleich nicht länger überzugewichten.

Der erste wissenschaftliche Beirat des Bundesversicherungsamts, das den Finanzausgleich abwickelt, hatte vor der überproportionalen Berücksichtigung dieser Erkrankungen gewarnt und war 2008, nachdem er von der Politik ausgebremst worden war, zurückgetreten. Baas: "Heute zeigt sich: Der Beirat hatte recht."

zuletzt bearbeitet: 25.11.2015 nach oben

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