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Bericht aus Berlin

Abstract zum Vortrag von Tino Sorge, Mitglied des Bundestages, im Rahmen des Diabetes Mediendialogs 2016 von Roche Diabetes Care Deutschland vom 3. bis 5. März 2016 in Schloss Hohenkammer, München.

Wie kann eHealth in Zukunft aussehen?

Tino Sorge, Mitglied des Bundestages Wir leben in Deutschland und Europa in großem Wohlstand, der auch zum Entstehen und der Verfestigung von "Wohlstandserkrankungen" geführt hat. Dazu gehören Diabetes und Adipositas sowie weitere Begleiterscheinungen des metabolischen Syndroms. Nicht nur die Erkrankungen selbst, sondern auch deren Auswirkungen, verursachen einerseits erhöhte Ausgaben des Gesundheitssystems, andererseits verändern sie auch gesellschaftliche Strukturen, bspw. Sportangebote oder andere gemeinschaftliche Veranstaltungen. Daher handelt es sich beim Ziel der Verringerung der Anzahl Diabetes- und Adipositaserkrankter um weit mehr als "nur" um die Beobachtung irgendeiner Krankheit. Es geht um eine der Volkskrankheiten, die in der Mitte unserer Gesellschaft verhaftet ist. Der Gesundheitspolitik geht es dabei vor allem um eine nachhaltige Bewusstseinsschärfung und intensive Impulssetzung, allerdings nicht um Bevormundung und Gängelung. Gerade auch, weil Essen und Trinken ein Ausdruck kultureller und geschichtlicher Prozesse sind, können Menschen auch nur langfristig erfolgreich zu einem Umdenken und der tatsächlichen Umsetzung anderer Gewohnheiten bewogen werden.

Unser Hauptansatzpunkt für einen zeitgemäßen Umgang mit dem Wissen über die Entstehung und die Folgen von Diabetes ist ein bewusster und intelligenter Einsatz digitaler Anwendungen. Dieser Zukunftsbereich hat dabei sowohl Auswirkungen auf das "alltägliche" Leben als auch auf die regionale Ärzteversorgung und die konkrete Kommunikation zwischen Ärzten, Ärzten und Patienten sowie Ärzten und Apotheken. Es geht um die Optimierung von Krankenversorgung, Therapieansätzen und der Gesundheitsforschung.

Aktuellen Erhebungen zufolge wollen rund 52 % der Patienten online mit ihrem Arzt kommunizieren, davon 98 % wegen einer Terminvereinbarung. 81 % möchten wiederkehrende Rezepte online bestellen und zugeschickt bekommen und 68 % wollen zuhause selbst ermittelte Werte an den Arzt übermitteln. Diese Bereitschaft ist ein großes Potenzial für die digitale Gesundheitsversorgung und daher müssen wir diese Offenheit für eine bessere Qualität der Versorgung durch intelligente Digitalanwendungen noch stärker nutzen. Als Gesundheitspolitiker haben wir dazu ein innovatives eHealth-Gesetz auf den Weg gebracht, das den unterschiedlichen Geschwindigkeiten und der Frage der Diskussionskultur zwischen Jung und Alt gerecht wird. Vielen Patienten aber auch Anwendern (Ärzten, Apothekern, Laboren) sind die Vorteile des eHealth-Gesetzes noch nicht ausreichend bewusst. Aus meiner Sicht ist es erst der Anfang der digitalen Gesundheitsversorgung in Deutschland. Dabei können eine bessere Vernetzung und telematische Anwendungen vor allem für die Versorgung ländlicher Gebiete wichtige Impulse setzen: eine schnellere Kontaktaufnahme und genauere Diagnosen werden ermöglicht, Fehlbehandlungen werden vermieden und die digitalisierten und zugleich individualisierten Kommunikationswege und Behandlungsmethoden führen zu wirtschaftlichem Mehrwert und ermöglichen den Patienten einen Verbleib auch in schwach besiedelten Gebieten.

Die Digitalisierung macht auch deutlich, dass wir mit einem modernen Ansatz an die Herausforderungen der Diabetesbehandlung herangehen müssen und Diabetes nicht als Krankheit von "Alten" verengt betrachten dürfen. Die digitale Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ist für viele Menschen heutzutage der Normalfall. Der Reiz und die Attraktivität technischer Geräte können die Hemmschwelle für eine regelmäßige Nutzung senken und die Einbindung in den Lebensalltag erleichtern, weil z. B. moderne Uhren mit Messvorrichtungen des Blutzuckerspiegels oder Apps zur Prüfung der Bewegung und zugeführter Kalorien unauffällig integriert werden können. Die integrierte und dadurch bequeme Überwachung von Körperwerten ist gerade für junge Menschen sehr interessant und kann den Rückfall in alte (ungesunde) Lebensgewohnheiten vermeiden helfen. Im Sinne eines "digitalen Gesundheitscoachings" sind aktuell mehr als 400.000 verschiedene GesundheitsApps auf dem Markt. Immer mehr Krankenkassen kooperieren mit Start-ups, z. B. auch mit Einbindung in die Bonussysteme. Daran wird auch die entscheidende Frage verdeutlicht: wie schaffen wir es, dass der Nutzen der Digitalisierung für die Menschen langfristig, individuell und wirkungsvoll sicht- und spürbar wird?

Dabei bin ich für hohe und moderne Standards gerade in Bezug auf das Recht der Patienten auf persönliche Daten, zugleich aber darf die Politik wirtschaftliche Entwicklungspotenziale nicht von vornherein einschränken. Ich wünsche mir auch mehr Wagnisfreude, Vertrauen in Forschung und Entwicklung sowie mehr Lust auf Innovationen. Das betrifft auch die Ausbildungsinhalte im Bereich Pflege (Pflegeberufsgesetz) und Medizin ("Masterplan Medizinstudium 2020"), die den heutigen Anforderungen angepasst werden müssen.

Individualisierte digitale Gesundheitsinstrumente sind eine generationenübergreifende Antwort auf ganz unterschiedliche Versorgungsanforderungen und den Umgang mit Gesundheitsthemen. Die Digitalisierung wird den persönlichen Kontakt zu einem Diabetologen dabei nicht ersetzen - vielmehr sinnvoll intensivieren bzw. begleiten können - und schafft mehr Behandlungs- und Betreuungsoptionen, sichert innovative Therapieansätze und ermöglicht leicht handhabbare und intuitiv verständliche Anwendungen gerade auch für Volkskrankheiten.

Bildunterschrift: Tino Sorge, Mitglied des Bundestages
Bildquelle: Roche Diabetes Care Deutschland

zuletzt bearbeitet: 29.04.2016 nach oben

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