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Autofahren mit Diabetes

Abstract zum Vortrag Oliver Ebert, Vorsitzender des Ausschusses Soziales der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht aus Stuttgart, im Rahmen der Vorab-Pressekonferenz zur 10. Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am 3. November 2016 in Berlin.

Keine signifikant erhöhten Risiken

Rechtsanwalt Oliver Ebert Das Führen von Kraftfahrzeugen und die Teilnahme am Straßenverkehr sind für viele Menschen elementarer Bestandteil des sozialen und beruflichen Lebens. Die Diabeteserkrankung kann sich auch auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auswirken. Insbesondere unvorhergesehene Unterzuckerungen, aber auch extrem erhöhte Werte können im Einzelfall die Fahrtauglichkeit beeinflussen. Dennoch ist in der Regel davon auszugehen, dass Menschen mit Diabetes trotzdem sicher PKW und LKW fahren können. Allein in Deutschland ist ungefähr jeder zehnte Führerscheininhaber von der Diabeteskrankheit betroffen. Nach derzeitiger Datenlage bestehen jedoch keine Erkenntnisse, die auf ein relevant erhöhtes Risiko hindeuten. Tatsächlich könnte aufgrund einer erhöhten Sorgfalt und Vorsicht dieser Patienten möglicherweise sogar ein geringeres Unfallrisiko bestehen.

Der Ausschuss Soziales der Deutschen Diabetes Gesellschaft erarbeitet derzeit eine medizinische Leitlinie zum Thema "Diabetes & Autofahren" und wertet hierzu den weltweiten Stand der Erkenntnisse zur Unfallproblematik bei Diabetes aus.

Nach aktuellen Zahlen ist in Deutschland von einer absoluten Anzahl von 7,6 Millionen Betroffenen mit Diabetes mellitus auszugehen [Gesundheitsbericht Diabetes (2016), Hrsg: diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe und Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), IDF Diabetes Atlas (6th edition) International Diabetes Federation, Brussels, Belgium (2013)], dies dürfte einem Anteil von ungefähr zehn Prozent aller Führerscheininhaber entsprechen [Bestand an allgemeinen Fahrerlaubnissen im Zentralen Fahrerlaubnisregister (ZFER) am 1. Januar 2016 nach Fahrerlaubnisklassen.

Bei allen diesen Betroffenen können dauerhaft extrem erhöhte Blutzuckerwerte die Fahreignung beeinträchtigen, beispielsweise durch Konzentrationsstörungen oder temporäre Veränderungen der Sehfähigkeit. Schätzungsweise drei Millionen dieser Patienten werden mit Medikamenten beziehungsweise Insulin behandelt, die sich aufgrund blutzuckersenkender Wirkung auf die Fahreignung auswirken können.

Trotz dieses hohen Anteils an der Gesamtzahl der Führerscheininhaber liegen aber keine Daten vor, die ein relevant erhöhtes Risiko der Teilnahme von Menschen mit Diabetes im Straßenverkehr belegen würden. Eine deutsche Studie [Harsch IA, Stocker S, Radespiel-Tröger M, Hahn EG, Konturek PC, Ficker JH, et al. "Traffic hypoglycaemias and accidents in patients with diabetes mellitus treated with different antidiabetic regimens.", J Intern Med (GBR). 2002;252(4):352-60.] ergab, dass sich Unfälle aufgrund von Hypoglykämien nur mit einer Rate von 0,01 bis 0,49 pro 100.000 Kilometer oder 0,007 bis 0,01 pro Jahr ereignen. Dies bedeutet, dass im Mittel ein Unfall infolge einer Unterzuckerung erst nach einer Fahrleistung von circa 400.000 Kilometern beobachtet werden konnte.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine internationale Studie [Cox DJ, Penberthy JK, Zrebiec J, Weinger K, Aikens JE, Frier B, et al. "Diabetes and driving mishaps: Frequency and correlations from a multinational survey.", Diabetes Care. 2003b;26(8):2329-34], in die auch Personen aus Deutschland eingeschlossen wurden. Eine britische Studie [Lonnen KF, Powell RJ, Taylor D, Shore AC, MacLeod KM. "Road traffic accidents and diabetes: Insulin use does not determine risk." Diabetic Med. 2008;25(5):578-84.], in der eine Gruppe von 2.697 Patienten mit Insulintherapie untersucht wurde, belegte dort insgesamt nur eine äußerst geringe Unfallzahl von zehn Verkehrsunfällen.

Auch im Vergleich zu Krankheiten wie ADHS oder Schlafapnoe ist das relative Unfallrisiko bei Diabetes mellitus erheblich geringer [Abrahamian H. "Diabetes und Führerschein.", Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel - Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2014; 7 (1), 6-10].

Daten der Krankenversicherungen zeigen teilweise sogar eine Tendenz zur Reduktion der Arbeitsunfälle bei Menschen mit Diabetes [IKK Bundesverband 2007, unveröffentlicht], weil diese Betroffenen in Kenntnis des Gefahrenpotenzials wohl gesteigerte Aufmerksamkeit und Vorsicht walten lassen. Auch wenn sich hieraus keine direkten Schlüsse auf die Unfallhäufigkeit im Straßenverkehr ableiten lassen, scheint im Kontext der niedrigen Unfallzahlen die Annahme nicht abwegig, dass die Betroffenen auch beim Führen von Kraftfahrzeugen eine gesteigerte Sorgfalt zeigen.

Die von der Bundesanstalt für Straßenwesen herausgegebenen Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung stellen daher auch unmissverständlich klar, dass gut eingestellte und geschulte Menschen mit Diabetes sowohl PKW als auch LKW sicher führen können - dies gilt auch für die Personenbeförderung (Taxi, Omnibus). Voraussetzung ist allerdings, dass Unterzuckerungen rechtzeitig wahrgenommen werden. Kommt es allerdings innerhalb von zwölf Monaten wiederholt im Wachzustand zu einer fremdhilfebedürftigen Hypoglykämie, dann ist davon auszugehen, dass der Patient bis auf Weiteres zunächst nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen darf.

Der behandelnde Arzt muss hierüber aufklären und aus medizinischer Sicht ausdrücklich vom Autofahren abraten. Fährt der Patient in Kenntnis dieser gesundheitlichen Einschränkungen, dann droht eine Strafbarkeit aus § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs). Eine Teilnahme am Straßenverkehr ist jedoch wieder möglich, sobald eine hinreichende Stabilität der Stoffwechsellage sowie eine zuverlässige Wahrnehmung von Hypoglykämien sichergestellt sind. Dies kann beispielsweise durch Schulung, Teilnahme an einem Unterzuckerungswahrnehmungstraining, einer Änderung der Therapieform, häufigere Selbstmessungen oder den Einsatz eines kontinuierlichen Glukosemonitoringsystems (CGM) erreicht werden. Meist dürften bei Unfällen aber lediglich Verhaltensfehler des Patienten ursächlich sein, insbesondere Fehleinschätzungen oder Fehler beim Selbstbehandlungsverhalten wie beispielsweise falsche Insulin- oder Medikamentendosierung, Verwechslung der Insulinsorte, Unterzuckerung nach vorausgegangenem Alkoholkonsum oder unzureichende Blutzuckerselbstkontrollen. Wenn hinreichend sichergestellt ist, dass es künftig zu keinem solchen Fehlverhalten mehr kommt, ist die Teilnahme am Straßenverkehr daher auch nach einem Unfall weiterhin möglich.

Der Ausschuss Soziales der Deutschen Diabetes-Gesellschaft erarbeitet derzeit eine medizinische Leitlinie zum Thema "Diabetes & Autofahren", die Fertigstellung wird in 2017 erwartet.

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Bildunterschrift: Rechtsanwalt Oliver Ebert
Bildquellen: Diabetes-Portal DiabSite

zuletzt bearbeitet: 08.03.2017 nach oben

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