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Diabetesmedikament vor Zulassung - bald auch bei Fettleibigkeit ohne Diabetes?

Orales Semaglutid in Phase II

Aktuelle Studien vorgestellt und kommentiert von Prof. Helmut Schatz

Prof. Helmut Schatz Mitte Oktober votierte das FDA-Beratergremium für eine Zulassungsempfehlung von Semaglutid, 1x wöchentlich s.c., als zusätzliche Therapie zu Diät und körperlicher Bewegung bei Typ-2-Diabetes. Diese basierte auf acht Phase-III-Studien an über 8000 Patienten. HbA1c war unter Semaglutid deutlich abgesunken, auch das Gewicht ging um etwa 4 - 6 kg herunter.

Zwei Punkte in SUSTAIN-6, einer der Phase-III-Studien (siehe Lit. 2) wurden lebhaft diskutiert: Eine signifikante Verschlechterung einer präexistenten Retinopathie (HR 1.76, Lit. 3), und andererseits das günstige kardiovaskuläre (CV) Outcome mit einer HR von 0.76 (Lit. 2).

Gegenwärtig werden die Daten auch von der europäischen und der japanischen Zulassungsbehörde geprüft.

Novo Nordisk entwickelt zur Zeit auch eine orale Version von Semaglutid. Der gastrointestinale Resorptionsverstärker Natriumcaprylat erhöht den lokalen pH-Wert, wodurch die Löslichkeit und der Schutz vor Degradation gesteigert werden. Die Resultate einer Phase II-Studie wurden am 17. Oktober 2017 publiziert. Von der Firma Oramed wird übrigens ein weiterer oraler GLP-1-Agonist entwickelt.

Semaglutid, 1x wöchentlich s.c., wurde auch zur Gewichtsreduktion bei Obesitas ohne Diabetes bei 28 Personen mit einem Body Mass Index (BMI) von 30-45 kg/m² randomisiert gegen Placebo 12 Wochen lang geprüft. Semaglutid reduzierte hauptsächlich das Körperfett. Es verringerte den Hunger, wobei es nach John Blundell von der Universität Leeds, UK die Menschen veranlasste, kleinere Mehlzeiten zu essen und ihre Vorliebe für fettreiche Nahrung zu mindern. Dies soll über Rezeptoren oder Sensoren im Gehirn geschehen, welche in mehrere Komponenten des Appetit-Kontrollsystems im Gehirn eingreifen. Die Gewichtsreduktion betrug innerhalb von 12 Wochen soviel wie man mit anderen Anti-Obesitas-Medikamenten erst nach 6 Monaten erreicht hatte.

Kommentar

Semaglutid wäre das 7. GLP-1-Präparat, das auf den Markt kam bzw. kommt: Exenatid in 2 galenischen Formen (täglich als Byetta®, 1x wöchentlich als Bydureon®), Liraglutid (täglich), Lixisenatid (täglich, in Deutschland vom Markt genommen), Dulaglutid (1x wöchentlich), Albiglutid (1x wöchentlich, von GlaxoSmithKline zurückgezogen) und - jetzt zur Zulassung empfohlenb - Semaglutid (1x wöchentlich).

Inwieweit die Unterschiede im CV Outcome, wie sie von den entsprechenden Firmen - verständlicherweise - und auch vielen Referenten in den Vordergrund gestellt und beworben werden, realistisch sind, wurde von Rury Holman von der Trial Unit in Oxford und Mitautor der EXCSEL-Studie auf dem EASD-Kongress 2017 in Lissabon hinterfragt. Liraglutid (Victoza®) in der LEADER-Studie und Semaglutid in SUSTAIN-6 hatten statistisch einen signifikanten CV Vorteil gebracht, das GLP-1-Präparat Lixisentid (Lyxumia®) in ELIXA nur eine "non-inferiority", ebenso wie auch Exenatid in der in Lissabon vorgetragenen EXCSEL-Studie. Rury Holman analysierte vergleichend die CV Outcomes der vier GLP-1-Analoga-Studien ELIXA, LEADER, SUSTAIN-6 und EXCSEL: "The big question is, are the differences we see across (the CV outomes) trials real, or are they (the GLP-1-agonists) more similar than dissimilar?". So sei in EXSCEL die numerische Differenz von CV Ereignissen (MACE) zwischen Exenatid und Placebo mit p=0.061 nur knapp nicht signifikant gewesen. Er verwies auf die Unterschiede wie etwa in der Dauer der Studien, den Einschlusskriterien, dem basalen HbA1c oder der Patientenzahl, die bei EXCSEL um ein Vielfaches grösser war als bei SUSTAIN-6. Insgesamt läge bezüglich des CV Outcomes bei allen GLP-1 Analogen wohl ein in etwa gleiches (günstiges ?) Ergebnis vor.

Semaglutid könnte als Anti-Adipositas-Medikament bald ein Mitbewerber von Liraglutid werden, das in Deutschland als Saxenda® bereits auf dem Markt ist, wenn sich die Ergebnisse hinsichtlich Wirkung und Sicherheit von Semaglutid in grossen Serien bestätigen sollten. Bei adipösen Nicht-Diabetikern würden auch Bedenken wegen einer - in SUSTAIN-6 beobachteten - Verschlechterung einer vorbestehenden diabetischen Retinopathie wegfallen.

Erfreulicherweise sind unerwünschte, ernste Nebenwirkungen der GLP-1-Analoga wesentlich seltener bzw. kaum oder gar nicht aufgetreten, wie man in den ersten Jahren befürchtet hatte. Die Zulassungsbehörden warten aber naturgemäß noch längere Zeiträume ab, insbesondere bezüglich Pankreatitis, Pankreaskarzinom und medullärem Schilddrüsenkarzinom.

Helmut Schatz

Quellen

Bildunterschrift: Prof. Helmut Schatz
Bildquelle: privat

zuletzt bearbeitet: 23.11.2017 nach oben

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