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Süßstoff oder Zucker?

Neue Studien zu einer endlosen Diskussion

Erhöhen Getränke mit künstlichen Süßstoffen das Herzkreislauf-Risiko?

Die Diskussion um mögliche schädliche Wirkungen von künstlichen Süßstoffen dauert schon viele Jahrzehnte an. Jetzt erscheint im "Journal of the American College of Cardiology" das Ergebnis einer jahrelangen prospektive Kohortestudie französischer Autoren, welche bei Genuss von Getränken sowohl mit Zucker als auch mit künstlichen Süßstoffen ein gesteigertes kardiovaskuläres Risiko fand.[1]

In einem Research Letter wird von Chazelas et al. mitgeteilt, dass 105.000 Personen aus der NutriNet-Santé Kohortenstudie[2], 78 % Frauen, mittleres Ausgangsalter Alter 43 Jahre, Rekrutierungsbeginn 2009, über im Mittel 6.6 Jahre kontrolliert wurden. Das Herzkreislauf-Risiko war bei zuckerhaltigen Getränken um 20 %, bei künstlichen Süßstoffen sogar um 32b % höher als bei Personen, die keine süßen Getränke konsumierten.

Der Genuss von mit Zucker gesüßten Getränken (5 % oder mehr) sowie von Fruchtsäften oder von Getränken mit künstlichen Süßstoffen (auch Stevia) wurde durch Selbstangabe erfasst. Das gesundheitliche Outcome wurde von Untersuchern erhoben. Eloi Chazelas und das Autorenteam stellten 1379 Erstmanifestationen von Schlaganfällen, transitorisch ischämischen Attacken, Herzinfarkten, akuten Koronarsyndromen und Angioplastien von 2009-2019 in der Kohorte fest. Fälle während der ersten 3 Jahre des Follow-ups wurden ausgeschlossen, um ein Bias zu vermeiden. Mögliche Einflussfaktoren wie etwa Essverhalten, demographischer und gesundheitlicher Art wurden berücksichtigt. Im Vergleich zu Personen, die keine süßen oder gesüßten Getränke genossen, ergab sich für das kardiovaskuläre Risiko bei zuckerhaltigen Getränken eine Hazard Ratio (HR 1.20; 95 % CI, 1.04-1.40; p for trend <0.009 und für künstliche gesüßte Getränke eine HR 1.32; 95 % CI, 1.00-1.73; p for trend <0.03).

Chazelas et al. betonen, das künstlich gesüßte Getränke wohl kein "gesünderer" Ersatz für solche mit Zuckerzusatz seien. Studien wiesen darauf hin, dass eine Glukosetoleranzstörung durch künstliche Süßstoffe über eine Veränderung des Darm-Mikrobioms erfolgen könnte. Es seien aber größere Studien nötig, um zu klären, warum dadurch auch das kardiovaskuläre Risiko steigen könnte.[1]

Kommentar

Zurückhaltung gegenüber diesen Resultaten aus der prospektiven Kohortenstudie ist jedoch angezeigt. Robert A. Vogel von der Colorado-Universität in Denver, Professor für Präventive Kardiologie weist darauf hin, dass es äußerst schwierig sei, Rückschlüsse aus dem Essverhalten auf den menschlichen Körper außerhalb von kontrollierten Studien zu ziehen.[3] Im Jahre 2012 hätte eine kleinere randomisierte Studie an Kindern ergeben, dass Diätgetränke mit künstlichen Süßstoffen zu einer Reduktion des Körperfetts führen, also eher ein günstiges Ergebnis für das Herz. Er gab zu bedenken, dass Personen ohne Genuss von süßen Getränken gleich welcher Art möglicherweise Zucker in Desserts und anderen Lebens- und Genussmitteln zu sich genommen haben könnten. Auch sollte man zwischen Stevia, Saccharin und Sucralose unterscheiden, da es unwahrscheinlich sei, dass alle drei einen gleichen Effekt auf das Darm-Mikrobiom haben.

Im Ãœbrigen haben Chazelas et al. bei Personen aus der gleichen Kohorte der Nutrinet-Santé - Studie ein erhöhtes Krebsrisiko unter zuckerhaltigen Getränken gefunden, nicht aber bei künstlichen Süßstoffen (siehe Lit. 3).

Der Referent (H.S.) erinnert sich, während seiner Ulmer Zeit in den 1970er Jahren von seinem Chef, Prof. E.F. Pfeiffer, zusammen mit Prof. Heiner Laube zu einem Symposium von Prof. Holtmeier, damals am Institut für Ernährungsforschung im Schloss Bonn- Poppelsdorf geschickt worden zu sein, bei dem das Thema "Kanzerogenität von Süßstoffen einschließlich Saccharin" auch schon heftigst diskutiert wurde. Eine endlose Geschichte!

Helmut Schatz

Literatur

  1. Eloi Chazelas et al.: Artificially Sweetened Drinks May Not Be Heart Healthier Than Sugary Drinks. Research Letter; Journal of the American College of Cardiology. Oct 26, 2020.

  2. Serge Hercberg et al.; The Nutrinet-Santé - Study: a web-based prospective study on the relationship between nutrition and health and determinant of dietary patterns and nutritional status. Brit. Med. J. Public Health., 2010 May 11; 10:242. doi: 10.1186/1471-2458-10-242

  3. Robert A. Vogel in: Jennie Smith:Artificially Sweetened Drinks Tied to Hicher CVD Risk.

zuletzt bearbeitet: 03.01.2021 nach oben

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