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Workshop der Paul-Martini-Stiftung

Pressemitteilung: Paul-Martini-Stiftung (PMS)

Adipositas als Herausforderung für Medizin und Pharmaforschung

Kosten für Folgeerkrankungen von Typ-2-Diabetes und anderen Erkrankungen

Kosten für Folgeerkrankungen von Typ-2-Diabetes und anderen Erkrankungen Die Prävalenz von Adipositas hat nicht nur in den USA längst epidemische Ausmaße angenommen. Sie ist mit erheblichen Belastungen für die Betroffenen verbunden, insbesondere aufgrund von Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Herzinfarkten und einigen Krebsarten. Hierdurch verursacht Adipositas auch hohe Kosten für das Gesundheitswesen hierzulande. Ein Workshop der Paul-Martini-Stiftung befasst sich daher heute in Berlin mit dem aktuellen Wissenstand zu Ursachen und Komplikationen von Adipositas und zu wirksamen Behandlungsmöglichkeiten. Es referieren und diskutieren Expert/innen aus Universitätsklinika, Forschungsinstituten, Fachgesellschaften und Unternehmen.

Geleitet wird der Workshop von Prof. Dr. med. Andreas Birkenfeld, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Diabetes- und Metabolismus-Forschung Helmholtz Munich und Direktor der Klinik für Endokrinologie am Universitätsklinikum Tübingen gemeinsam mit Prof. Dr. med. Stefan Endres vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Adipositas und ihre Ursachen

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO leiden Erwachsene dann an Adipositas, wenn sie einen Body Mass Index (BMI) von mindestens 30 aufweisen.[1] Bei einem BMI von 25 bis unter 30 spricht die WHO hingegen von Übergewicht, und ein BMI von 18,5 bis unter 25 gilt ihr als Normalgewicht. Der BMI errechnet sich dabei als Körpergewicht dividiert durch das Quadrat der Körperhöhe, in kg/m2. Für Adipositas bei Kindern und Jugendlichen wendet die WHO eine kompliziertere Definition an, die sich vom WHO Child Growth Standards Median ableitet. Aber auch hier geht es um übermäßiges Körperfett.

Ein Missverhältnis von Nahrungskalorien und Bewegung über längere Zeit ist Hauptursache für Adipositas. Das wiederum ist multifaktoriell bedingt, etwa durch Art und Umfang des Nahrungsangebots, durch spezifische Regelkreisläufe im zentralen Nervensystemund durch soziale Umweltfaktoren. Aber bestimmte Medikamente und Gendefekte können eine Adipositas verursachen.

Was die Medizin mittlerweile über die Physiologie von Ernährung und Sättigung weiß, aber auch über den Zusammenhang zu Diabetes Typ 2 und anderen Folgeerkrankungen, wird im Workshop näher erläutert.

Behandlungsmöglichkeiten

Laut Deutscher Adipositas Gesellschaft stellt eine Basistherapie aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensinterventionen die Grundlage für die Adipositas-Behandlung dar.[2] Wenn aber das Gewicht mithilfe dieser Basistherapie nicht ausreichend gesenkt werden kann, kommen ihr zufolge andere Maßnahmen in Betracht. Beim Workshop werden unterschiedliche Therapiemöglichkeiten vorgestellt. Etliche Vorträge beschäftigen sich mit dem Beitrag medikamentöser Therapien.

Hierzu hat die Pharmaforschung in den letzten Jahren wesentliche Erfolge verbuchen können. So ist seit kurzem ein Medikament verfügbar, das Patient/innen helfen kann, deren Adipositas Folge bestimmter seltener Gendefekte ist (Funktionsverlust des biallelischen POMC-Gens inkl. PCSK1, POMC-Mangel oder biallelischer Leptinrezeptor-Mangel). Für andere Wirkstoffe, die zunächst für die Diabetestherapie entwickelt wurden, konnte in Studien gezeigt werden, dass sie auch bei Nicht-Diabetiker/innen zu einer wesentlichen Gewichtsreduktion beitragen können. Diese Wirkstoffe wurden von dem natürlichen Darmhormon GLP-1 abgeleitet. Medikamente, die die Wirkungsweisen der Darm-hormone GLP-1 und GIP kombinieren, können neuen Studien zufolge zu noch stärkerer Gewichtsreduktion führen. Für die Adipositas-Therapie sind die meisten dieser Medikamente aber hierzulande noch nicht verfügbar - wegen noch ausstehender Zulassung oder noch nicht erfolgter Markteinführung.

Die Arzneimittelentwicklung gegen Adipositas geht aber noch weiter. Auch darum wird es im Workshop gehen. Zum einen werden noch neue Medikamente erprobt, zum anderen ist auch die Langzeitverträglichkeit der vorhandenen noch zu bestätigen.

Zugleich ist Prävention von großer Bedeutung. Die WHO rät hier insbesondere zu Verhaltensänderungen beim Einzelnen, freiwillige oder verordnete Änderungen im Nahrungsmittelsortiment und mehr Angebote für körperliche Aktivität.[1]

Auf dem Weg zu einem Disease Management Program Adipositas

Seit Jahren wird diskutiert, wie Adipositas einzustufen ist: ist sie Krankheit oder Lifestyle-Problem? Das deutsche Sozialgesetzbuch (V, § 34) folgt letzterem Verständnis: Es verfügt, dass Krankenkassen keine Kosten für Medikamente zu übernehmen haben, die überwiegend zur Abmagerung, zur Zügelung des Appetits oder zur Regulierung des Körpergewichts dienen. In der Umsetzung dieses Gesetzes sieht das oberste Gremium für Krankenkassenleistungen, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), nur die schon genannte Behandlung von Gendefekt-verursachter Adipositas als Ausnahme vor.

2022 wurde der G-BA allerdings gesetzlich beauftragt, ein strukturiertes Behandlungsprogramm (Disease Management Program, DMP) zur Adipositas zu entwickeln. Solche DMPs gibt es schon für Patient:innen mit Diabetes Typ 2 und einigen anderen Krankheiten. Sie sollen eine Behandlung auf aktuellem medizinischem Stand über Einrichtungs- und Sektorengrenzen hinweg ermöglichen. Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken wies in diesem Zusammenhang darauf hin, "dass die 'Anerkennung' eines Beschwerdebildes als eine - im leistungsrechtlichen Sinne - behandlungsbedürftige Erkrankung nicht in der Kompetenz des G-BA liegt".[3]

Eine in den Workshop eingebettete Podiumsdiskussion wird die Frage erörtern, wie so ein strukturiertes Disease Management Programm (DMP) zur Adipositas ausgerichtet sein sollte. Mitwirken werden Vertreter:innen von Fachgesellschaften, Krankenkassen, Industrie und der Patientenselbsthilfe.

Quellen

  1. WHO (2021), Obesity and Overweight

  2. Deutsche Adipositas Gesellschaft (2023), Adipositas-Medikamente: Antworten auf häufige Fragen

  3. Deutsche Diabetes Gesellschaft und diabetesDE (2022) - Deutsche Diabetes-Hilfe 2022 (Hrsg.), Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022

Bildunterschrift: Ein dicker Bauch kann gravierende Folgen haben. Diabetes gehört dazu.
Bildquelle: www.diabsite.de

zuletzt bearbeitet: 01.04.2023 nach oben

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Dr. phil. Axel Hirsch

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