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Diabetesrisiko: WHR wichtiger als BMI

Gesund trotz Übergewicht?

Beate K. (39) wiegt auf eine Größe von 1,65 Meter 74 Kilogramm und sieht für sich die Notwendigkeit abzunehmen. Die Anamnese und erste Blutanalyse beim Ernährungsberater ergaben einen erhöhten BMI von 27, einen WHR von 0,79 sowie im Normbereich liegende Blutfettwerte. Die Notwendigkeit abzunehmen ist laut den Befunden nicht geboten. Doch wie kann das trotz Übergewicht sein?

Fast täglich warnen Beate K. Schlagzeilen, dass mit einem erhöhten BMI das Risiko für Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Krebs, Gelenkbeschwerden und Herz-Kreislauferkrankungen steigt. Sie nimmt ein mediensuggeriertes Idealmaß wahr, in das Ihr Spiegelbild so gar nicht passen möchte. Nach einigen Diätversuchen entscheidet Sie sich für eine professionelle Ernährungstherapie und sieht sich mit dem Befund "Gesund" konfrontiert.

Was für Frau K. im Verborgenen bleibt, ist die Frage woher Ihr angebliches Erkrankungspotenzial in den Medien stammt. Die meisten wissenschaftlichen Studien in punkto Übergewicht und Erkrankungen beziehen lediglich den Body Mass Index (BMI) als Entscheidungskriterium mit ein. Beispielsweise ist laut den Forschern Helmut Schulte und Mitarbeiter ein erhöhter BMI ein Risikofaktor um an Herz-Kreislauferkrankung zu leiden und Beate K. gefährdet [1].

Ein BMI unter 19 charakterisiert Untergewicht, der Normalbereich liegt zwischen 19 und 25, oberhalb dessen beginnen Übergewicht und ab einem BMI von >29,9 die verschiedenen Stufen der Fettleibigkeit. Doch der BMI ist nur ein Richtwert, der den unterschiedlichen Körperbau der Menschen und die Verteilung der Kilos zwischen Muskulatur und Fett nicht berücksichtigt.

Eine höhere Aussagekraft über ein gesundheitliches Risiko besitzt die Fettverteilung. Der Waist to Hip Ratio (WHR) unterteilt in relativ ungefährliches, hüftbetontes und gesundheitsschädigendes bauchbetontes Fettgewebe. Ein erhöhtes Risiko besteht bei Frauen mit einem WHR >0,85 und bei Männern bei einem WHR >1,0.

Interessant ist zudem der Zusammenhang zwischen BMI und Sterberate. In einer von The Lancet veröffentlichten Metaanalyse mit rund 250.000 Patienten stellte sich paradoxerweise kein Vorteil von einem normalen BMI heraus. Laut den vierzig Studien starben die Probanden trotz leichtem Übergewicht seltener an Herz- und Kreislauferkrankungen [2].

Übergewicht ist für viele ein ästhetisches Problem, bei einer Vermehrung des Fettgewebes im Gesäß-, Hüft- und Oberschenkelbereich jedoch nicht zwangsläufig gesundheitsschädigend. Viel entscheidender für ein Erkrankungsrisiko sind Fettverteilung, Blutwerte, Bewegungsstatus sowie Familienanamnese. Doch längst hat sich ein lukratives Geschäft um die überschüssigen Kilos entwickelt.

Um die Gesundheit des Patienten und dessen Geldbeutel zu schützen, sind nur bei einer medizinischen oder präventiven Indikation diätetische Maßnahmen zu ergreifen. Lieber heute ein gesunder Dicker, als ein Diätopfer von morgen.

Literatur:

(1) Übergewicht und kardiovaskuläres Risiko. Helmut Schulte, Arnold von Eckardstein, Paul Cullen, Gerd Assmann. Zeitschrift Herz. 2004. Vol 26 (3): 170-177.

(2) Should we continue to use BMI as a cardiovascular risk factor? Maria Grazia Franzosi. The Lancet - Vol. 368, Issue 9536, 19 August 2006:624-625.

zuletzt bearbeitet: 21.01.2008 nach oben

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