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Glinide: Institut nimmt Stellungnahmen zum Vorbericht entgegen

Weder Nutzen noch Zusatznutzen belegt - IQWiG fordert Langzeitstudien

Am 2. Dezember 2008 hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die Ergebnisse seiner vorläufigen Nutzenbewertung für die Wirkstoffgruppe der Glinide vorgelegt. Ziel der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragten Untersuchung ist es, den Nutzen einer langfristigen Anwendung von Gliniden zu bewerten. In Deutschland sind zurzeit zwei Wirkstoffe dieser Klasse (Repaglinid und Nateglinid) zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen. Stellungnahmen zum Vorbericht nimmt das Institut bis zum 9. Januar 2009 entgegen.

Therapieoption für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2

Meist wird eine Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2, auch Altersdiabetes genannt, mit nichtmedikamentösen Therapien wie z.B. Ernährungsumstellung, Gewichtsreduktion und sportlicher Bewegung begonnen. Wird der Blutzucker dadurch nicht ausreichend gesenkt, können zusätzlich Medikamente eingesetzt werden.

Dazu stehen außer Insulin auch die sogenannten oralen Antidiabetika (OAD) zur Verfügung. Neben den Gliniden gehören zum Beispiel auch Sulfonylharnstoffe, Metformin und Glitazone zu dieser Gruppe. Die einzelnen Substanzen haben dabei unterschiedliche Wirkungsweisen. Glinide regen die Produktion von Insulin in der Bauspeicheldrüse an. Eine besondere Eigenschaft der Glinide ist unter anderem die schnelle Wirkung: Vor der Mahlzeit eingenommen, senken Glinide den Blutzucker nach dem Essen vergleichsweise rasch wieder ab.

In Deutschland zugelassen und damit Gegenstand dieser IQWiG-Untersuchung sind zurzeit zwei Substanzen der Wirkstoffgruppe Glinide: Repaglinid (NovoNorm® von NovoNordisk) und Nateglinid (Starlix® von Novartis). Die Zulassung der beiden Substanzen unterscheidet sich allerdings leicht: Während Repaglinid sowohl für die Monotherapie als auch für die Therapie in Kombination mit dem Wirkstoff Metformin zugelassen ist, darf Nateglinid hierzulande nur zusammen mit Metformin verordnet werden.

Keine Langzeitstudien vorhanden - Nutzen unklar

Insgesamt wurden von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern 10 relevante Studien identifiziert, 8 davon zu Repaglinid und 2 zu Nateglinid. Eingeschlossen wurden dabei Studien mit einer Mindestbehandlungsdauer von 24 Wochen. Bei diesem Beobachtungszeitraum ist davon auszugehen, dass die Patienten stabil auf das neue Medikament eingestellt sind.

Insgesamt dauerte keine der eingeschlossenen Studien länger als 14 Monate - weder zu Repaglinid noch zu Nateglinid lagen also Langzeitstudien vor, die auf die Untersuchung von Diabetes-Folgeerkrankungen ausgerichtet waren. Das überrascht auch deshalb, weil beide Wirkstoffe schon seit über sieben Jahren zugelassen sind. Die Autorinnen und Autoren kommen daher zu dem Ergebnis, dass ein Nutzen der Glinide aufgrund fehlender Studien nicht belegt ist. Sie sehen hier Forschungsbedarf und fordern weitere Studien, in denen die langfristige Anwendung von Gliniden untersucht wird.

Aussagen zu wichtigen patientenrelevanten Endpunkten nicht möglich

Auch bei der Auswertung der vorhandenen Studien blieben wesentliche Fragen unbeantwortet. Das lag vor allem daran, dass in den verfügbaren Studien viele der im Berichtsplan des Instituts festgelegten Therapieziele, wie z.B. Vermeidung von Folgekomplikationen, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Therapiezufriedenheit überhaupt nicht untersucht wurden.

Und auch die Daten zu den untersuchten Therapiezielen ließen keine sichere Aussage darüber zu, ob Patienten von der Behandlung mit Gliniden profitieren. Denn die Daten wurden zum Teil nicht ausreichend transparent dargestellt oder die Studien waren anfällig für Verzerrungen.

Insgesamt ist nach Aussage der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler also weder ein Nutzen noch ein Zusatznutzen gegenüber anderen medikamentösen Therapieoptionen belegt.

Vergleich mit anderen Therapien nur teilweise möglich

Für die meisten Therapiealternativen konnten keine relevanten Studien identifiziert werden, die andere Medikamente mit den Gliniden vergleichen. Vor allem Vergleichsstudien mit neueren blutzuckersenkenden Mitteln wie z.B. Exenatiden oder Gliptinen fehlen. Aber auch für bereits etablierte Antidiabetika wie Insulin oder Glitazone konnten keine Studien gefunden werden. Ein Vergleich war nur für die Wirkstoffe Metformin und Sulfonylharnstoffe möglich.

Weder Nutzen noch Schaden bei kardiovaskulären Ereignissen bestimmbar

Die Behandlung mit oralen Antidiabetika wird im Moment in Fachkreisen besonders im Hinblick auf das mögliche Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen, also zum Beispiel Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Angina pectoris diskutiert. In den Gremien der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA wird aktuell erwogen, eine Zulassung für neue Antidiabetika nicht nur von der Senkung des Blutzuckerwerts (HBA1c) abhängig zu machen, sondern auch von Langzeitstudien, die untersuchen, ob die Medikamente kardiovaskuläre Folgekomplikationen auslösen können.

Die Autorinnen und Autoren des Berichts haben daher die vorliegenden Studien zu den Gliniden auch auf das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen hin ausgewertet. Allerdings war keine der Studien darauf ausgelegt, einen Nutzen oder einen Schaden der Glinide bei diesem Endpunkt zu untersuchen. Die einzigen Angaben zu kardiovaskulären Ereignissen fanden sich bei Auswertungen zu unerwünschten Ereignissen. Die kleinen Fallzahlen lassen allerdings keinen deutlichen Schluss auf einen Schaden oder Nutzen zu.

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Wie das IQWiG bei der Nutzenbewertung methodisch vorgehen will, hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer im August 2007 publizierten vorläufigen Version des Berichtsplans dargelegt und zu schriftlichen Stellungnahmen aufgefordert. Nach dem Stellungnahmeverfahren wurde im April 2008 der überarbeitete Berichtsplan (Version 1.0) - zeitgleich mit den Stellungnahmen und deren Würdigung sowie der Dokumentation der Erörterung- im Internet veröffentlicht.

Zu dem jetzt vorgelegten, zusammen mit externen Sachverständigen erarbeiteten Vorbericht können interessierte Personen und Institutionen bis zum 9. Januar 2009 schriftliche Stellungnahmen abgeben. Diese werden - wie beim Berichtsplan - gesichtet und ausgewertet. Bleiben Fragen offen, können die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen werden. Danach wird der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht an den Auftraggeber, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), weitergeleitet.

Weiterführende Informationen: zum Vorbericht.

zuletzt bearbeitet: 02.12.2008 nach oben

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